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Aktuell Demokratie

Warum Wolfgang Schäuble Journalismus für unverzichtbar hält

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Foto: Michael Kappeler/Archiv
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Foto: Michael Kappeler/Archiv

»Mit kleinen Jungen und Journalisten muss man vorsichtig sein, die schmeißen immer noch einen Stein hinterher«, warnte einst Bundeskanzler Konrad Adenauer. Er wusste um die Tücken im Miteinander von Politik und Medien – wie um den Wert der Pressefreiheit.

In einer funktionierenden Demokratie brauchen Medien und Politik einander. Sie stehen in einem symbiotischen Spannungsverhältnis, das einerseits von struktureller Nähe, andererseits von professioneller Distanz lebt.

Demokratische Politik ist abhängig von öffentlicher Zustimmung und muss sich gegenüber der Allgemeinheit erklären. Nach wie vor spielen die Massenmedien dabei eine Schlüsselrolle: Ein Großteil der Menschen informiert sich über politische Themen und das Tagesgeschehen durch Fernsehen, Zeitung und die dazugehörigen journalistischen Internetangebote. Journalisten bilden ein wichtiges Scharnier zwischen Politik und Bürgern. Sie spiegeln die Vielfalt der politischen Argumente wider, erläutern politische Prozesse und kommentieren die am Ende der Debatten getroffenen Entscheidungen.

Parlamentarische Redefreiheit und Pressefreiheit sind und bleiben tragende Säulen unserer freiheitlichen Demokratie. In diesem Jahr feiern wir 70 Jahre Grundgesetz. Dessen Mütter und Väter haben aus den Fehlern gelernt, die den ersten demokratischen Anlauf scheitern ließen, der vor einem Jahrhundert in Weimar seinen Anfang nahm und folgenschwer endete. Den Freiheitsrechten fehlte es in der Weimarer Republik an Akzeptanz in der Bevölkerung. Ein Manko, das sich die Kritiker der Republik zunutze machten: Sie verunglimpften Reichstagsabgeordnete und Journalisten als Nutznießer der missliebigen neuen Ordnung, machten sie pauschal für Fehlentwicklungen und Instabilität verantwortlich, brandmarkten sie als unfähig und verlogen. Die Saat der Republikverächter ging auf: Der Pluralismus in Weimar erodierte. Und am Ende verschwanden Freiheit und Demokratie aus Deutschland – zusammen mit dem Rechtsstaat, der Kultur und der Humanität.

Berlin ist nicht Weimar. Darauf weisen uns die Historiker allenthalben hin. Zu Recht. Dennoch – den Medien wird auch heute wieder Wahrheitsverdrehung unterstellt. Von einer Gegenöffentlichkeit, die Meinungen und Fakten vermischt und ihre eigenen Wahrheiten absolut setzt, um sie in den Echokammern der sozialen Medien lautstark widerhallen zu lassen.

Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sagt: »Vernetzung heißt Verstörung.« Im Netz herrscht ein ungleicher und ungezügelter Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Journalistisch aufbereitete Information, unreflektierte, oberflächliche Wortmeldungen und gezielte Desinformation konkurrieren miteinander – formen ein Vexierbild von Wahrheiten, Halbwahrheiten, Unwahrheiten.

Klare Perspektiven zu schaffen und das Vertrauen in die Berichterstattung zu sichern stellen hohe Anforderungen an das handwerkliche Können und die Integrität der Journalisten. Filtern und einordnen dessen, was geschieht, wird wichtiger. Die saubere Trennung von Bericht und Kommentar. Der Beitrag der Politik muss darin bestehen, unterscheidbare Alternativen zu formulieren, Verfahren und Entscheidungen gewissenhaft zu erklären. 

Die Demokratie steht unter Druck, auch wegen unserer Art, Politik zu vermitteln. Nicht nur die Diskussionskultur im Netz macht deutlich: An einer Steigerung der Erregung besteht kein Bedarf. Pörksen fordert angesichts der »großen Gereiztheit« im Netz eine neue Kommunikationsethik. Die können nur wir selbst uns verordnen.

»Journalisten bilden ein wichtiges Scharnier zwischen Politik und Bürgern«

Allen Unkenrufen zum Trotz trägt der Qualitätsjournalismus schon jetzt viel dazu bei, Politik auf allen Ebenen greifbar und begreifbar zu machen. Mit Sorgfalt, Neugier und unter Wahrung hoher journalistischer Standards.

Und gerade der Lokaljournalismus genießt in der Bevölkerung überdurchschnittlich hohes Vertrauen. Wo der direkte Draht zum Menschen besteht, wo man sich im alltäglichen Miteinander ein eigenes Bild machen kann, wächst Glaubwürdigkeit. Wer über das politische Geschehen vor Ort berichtet, leistet einen nicht geringen Beitrag dazu, die Demokratie im Alltag lebendig zu halten.