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Die Geburt der Grundrechte: Grundgesetz tritt im Jahr 1949 in Kraft

Nie wieder Faschismus! Dafür stand das Grundgesetz nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit den Grundrechten schützte es die Bürger vor dem Staat. Der Presse sicherte es Freiheit zu.

Das Grundgesetz von 1949 ist die Antwort auf die Nazi-Herrschaft. Solche Gräuel sollen nie wieder passieren. Das garantieren die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19. Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Das Grundgesetz von 1949 ist die Antwort auf die Nazi-Herrschaft. Solche Gräuel sollen nie wieder passieren. Das garantieren die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa

REUTLINGEN. Nie wieder Faschismus! Diese Lehre zog Deutschland aus der Nazi-Herrschaft. Garant dafür sollte das Grundgesetz sein. Es trat 1949 in Kraft. Am Anfang stehen die Grundrechte. Sie sichern allen Menschen essenzielle Rechte zu und schützen sie vor dem Staat. Für die Medien besonders wichtig ist die Pressefreiheit. Dank ihr konnte auch der Reutlinger General-Anzeiger (GEA) wieder erscheinen.

Die Grundrechte gehören zum Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Darum misst das Grundgesetz ihnen einen besonders hohen Stellenwert bei. Das zeigt die prominente Position der Grundrechte am Beginn des Verfassungstextes. In Artikel 1 heißt es: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«

Aus dem Schutz der Menschenrechte ergeben sich alle weiteren Grundrechte. Sie stehen in Artikel 2 bis 19. Dabei handelt es sich vor allem um Freiheitsrechte. Dazu gehören etwa die freie Wahl der Religion, des Berufs und des Wohnorts, ebenso wie die Freiheiten, sich zu einer Kundgebung zu versammeln oder eine Vereinigung zu gründen. Diese Rechte dienen vor allem der Abwehr von staatlichen Übergriffen.

Hinzu kommen Gleichheitsrechte – vor allem die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Verbot der Diskriminierung unter anderem aufgrund von Geschlecht, Ethnie, Herkunft, religiöser und politischer Anschauung sowie Behinderung.

»Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt«

Die Grundrechte sind keine unverbindlichen Programmsätze, sondern gelten unmittelbar. Jeder Mensch, der sich in seinen Grundrechten verletzt fühlt, kann sie vor Gericht einklagen und den gesamten Rechtsweg ausschöpfen bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Die Grundrechte können auch nicht ohne Weiteres geändert werden. Das gilt vor allem für Artikel 1 zur Menschenwürde: Hier darf selbst der Wortlaut nicht umgeschrieben werden. Die übrigen Grundrechte müssen in ihrem Wesensgehalt bestehen bleiben.

Damit sind die Grundrechte besonders geschützt – noch mehr als die übrigen Artikel im Grundgesetz. Für sie gilt mit den Worten des früheren Bundesverfassungsrichters Ferdinand Kirchhof: »Für Änderungen der Verfassung braucht man im Bundesrat und im Bundestag jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die gewinnt man nur, indem man die Opposition mit ins Boot nimmt. Deshalb sind verfassungsrechtliche Regelungen stabiler.«

»Verfassungsrechtliche Regelungen sind stabiler. Für Änderungen braucht man eine Zwei-Drittel-Mehrheit«

Diese Absicherung ist den schrecklichen Erfahrungen während der Nazi-Herrschaft geschuldet. Damals wurden Millionen Menschen ermordet. Der Rechtsstaat wurde ausgehöhlt, die Menschen- und Bürgerrechte ausgesetzt, die Gewaltenteilung aufgehoben. Der Staat drang in alle gesellschaftlichen Bereiche ein, Kontrollinstanzen wurden zerstört. Das betraf auch die Medien: Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren wurden die deutschen Presseorgane gleichgeschaltet, zusammengelegt oder verboten.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Pressefreiheit 1949 Verfassungsstatus erhielt und zum Grundrecht erklärt wurde. In Artikel 5 heißt es: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.« Damit schützt Artikel 5 das Recht auf freie Meinung, freie Information und freie Medien.

Das heißt: Medien entscheiden selbst, über welche Themen und in welcher Weise sie berichten. Die Beschaffung und Verbreitung von Informationen werden nicht unzulässig beschränkt. Eine Einmischung von dritter Seite findet nicht statt. Damit ist die Pressefreiheit vor allem ein Abwehrrecht. Ursprünglich richtete es sich gegen staatliche Zensur. Mittlerweile sind aber auch wirtschaftlicher Druck und Marktkonzentration bedenklich.

Mit dem Grundrechtsstatus würdigt die Verfassung die Pressefreiheit als Grundpfeiler der Demokratie: Sie stellt Öffentlichkeit her und schafft Transparenz, bringt die Teile der Gesellschaft in Austausch miteinander und kontrolliert die Mächtigen. Damit hilft die Presse dem politisch interessierten Bürger, informierte Wahlentscheidungen zu treffen.

Allerdings hat die Pressefreiheit auch ihre Grenzen. Dazu heißt es in Artikel 5, Absatz 2: »Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.« Ausgeschlossen sind damit etwa die Verherrlichung von Gewalt, die Provokation von Rassenhass und die schamverletzende Darstellung von Sexualität. Tatsachen können und müssen berichtet werden – einzige Voraussetzung ist, dass sie wahr sind. Bei der Meinungsäußerung ist der Spielraum vergleichsweise groß – sie endet aber dort, wo ein Mensch persönlich beleidigt wird.

Die Verankerung der Pressefreiheit im Grundgesetz führte zur Wiederbelebung der deutschen Medien. Stellvertretend für viele Medienhäuser steht der Reutlinger General-Anzeiger. Er wurde 1888 gegründet, während der Nazi-Herrschaft verboten und nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 erstmals wieder veröffentlicht. In diesem Jahr feiert der GEA sein 136-jähriges Bestehen und sein 75-jähriges Wiedererscheinen. Bis heute ist das Familienunternehmen inhabergeführt und wird in dritter Generation von Valdo Lehari jr. geleitet.

»Die Pressefreiheitwird gewährleistet.Eine Zensur findetnicht statt«

Damit teilt der Reutlinger General-Anzeiger das typische Schicksal zahlreicher Medienhäuser im Südwesten. »Es gibt kaum ein Bundesland, das wie Baden-Württemberg auf eine so reichhaltige und wechselvolle Pressegeschichte zurückblicken kann«, sagt Stephan Bourauel, ehemaliger Geschäftsführer des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV). Gegründet wurden die meisten der heute in Baden-Württemberg erscheinenden Tageszeitungen im späten 18. und im 19. Jahrhundert. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs ihre Zahl auf 203 Blätter in Württemberg und 192 Blätter in Baden.

Heute gehören dem Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger 49 von insgesamt 50 selbstständigen Tageszeitungsverlagen in Baden-Württemberg und zusätzlich eine Redaktionsgesellschaft an. Die baden-württembergische Presselandschaft zeichnet sich durch eine Vielzahl mittelgroßer Heimatzeitungen mit einer Auflage zwischen 10.000 und 25.000 Exemplaren aus. Bei vielen Zeitungen handelt es sich um traditionell in den Händen von Verlegerfamilien liegende Häuser. (GEA)