WANNWEIL. Die Gemeinde Wannweil wird nicht Basis des Rettungshubschraubers Christoph 41. Das hat das Innenministerium am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Stuttgart bekannt gegeben. Bisher ist der Rettungshubschrauber in Leonberg beheimatet. Nun soll er nach Tübingen umziehen, um notärztlich bisher schlecht versorgte Bereiche der Schwäbischen Alb besser abzudecken.
Eine Studie der Universität München hatte empfohlen, die Luftrettung in Baden-Württemberg neu zu strukturieren. Ein Bestandteil davon ist der Umzug des Helis Christoph 41 auf die Achse Tübingen – Reutlingen. Neben dem Dach der BG-Klinik war bis zuletzt noch der Standort Wannweil nahe der Bundesstraße 28 im Gespräch.
Mehr Argumente für Tübingen
Zur Entscheidung pro Tübingen sagte Innenstaatssekretär Wilfried Klenk am Donnerstag in Stuttgart: »Nach der Ablehnung des Gemeinderats von Wannweil für einen Landeplatz, haben wir die Gespräche mit der BG-Klinik intensiviert.« Außerdem hätten mehr Argumente für Tübingen als für Wannweil gestimmt. »Der neue Standort entspricht der vom Gutachten empfohlenen Verlegung nach Süden auf die Achse Tübingen-Reutlingen.« Das Dach der Klinik soll jetzt ertüchtigt werden.
Staatssekretär Wilfried Klenk begründete die Entscheidung für Tübingen und gegen Wannweil so: »Beide Standorte sind geeignet. Nach der Ablehnung des Gemeinderats von Wannweil, haben wir nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern den Landeplatz in Tübingen auf der BG-Klinik weiter untersucht und die Gespräche intensiviert«, sagte Klenk. Er ging auch auf das Votum der Wannweiler während des Bürgerentscheids ein: »Wir finden es super und toll, dass die Wannweiler sich im Bürgerentscheid positiv für den Rettungshubschrauberstandort entschieden haben.« Und weiter: »Wir hätten das Ergebnis auch schon vorher verkünden können, haben aber abgewartet.« So habe Wannweil dem ganzen Land Baden-Württemberg signalisiert, dass deren Einwohner mehrheitlich für den Helikopterstandort sind. »So bleibt für Wannweil kein Makel zurück«, sagte Klenk.
Keine Widersprüche aus Tübingen
Für Tübingen spreche auch die Akzeptanz in der Stadtbevölkerung: »Uns wurde aus Tübingen signalisiert, dass von dort mit keinen Widersprüchen zu rechnen ist, weil die BG-Klinik bereits jetzt tagtäglich mit Helikoptern angeflogen wird.« Bereits jetzt fliege der noch in Leonberg beheimatete Christoph 41 oft die Tübinger Kliniken an. »Sie werden häufiger als andere Kliniken angeflogen«, sagte Klenk. Das sei aber nur ein Nebeneffekt bei der Entscheidung gewesen.
Landrat Joachim Walter begrüßt die Entscheidung des Innenministeriums. »Mit dem Universitätsklinikum Tübingen und der BG-Klinik Tübingen ist die Stadt geradezu prädestiniert als Luftrettungsstandort«, so Walter. In Tübingen sei eine hohe Notarztverfügbarkeit vorhanden, insbesondere auch in speziellen Bereichen der Notfallmedizin - wie beispielsweise bei Kindernotärzten. »Nachdem auch die logistischen und räumlichen Voraussetzungen bereits in Teilen gegeben sind, ist diese Lösung geradezu ideal – für die langfristige Stärkung und Weiterentwicklung der Rettungs- und Notfallmedizin am Standort Tübingen und vor allem für die Menschen in der Region, die in Tübingen eine medizinische Maximalversorgung auf höchstem Niveau vorfinden.«
Palmer: Südliche Alb kann von Tübingen aus besser versorgt werden
»Der Standort Tübingen ist schon geografisch richtig, weil damit die südliche Alb besser versorgt werden kann als von Leonberg«, schreibt Tübingens Oberbrügermeister Boris Palmer auf Facebook. Die BG Unfallklinik sei darüber hinaus medizinisch optimal, weil hier hoch engagierte Fachleute neue Qualitätsstandards einführen wollten und könnten. »Zum Beispiel kann man schon auf dem Anflug wichtige Analysen und Untersuchungen machen, die man sofort an die Klinik überspielt. Da sind noch große technische Fortschritte möglich und hier können sie vorangetrieben werden.« Die Klinikleitung habe die Stadtverwaltung und den Gemeinderat frühzeitig über Ihre Bewerbung informiert.
»Ich freue mich, dass Tübingen den Zuschlag erhalten hat. Das ist medizinisch und für Notfallpatienten ein großer Fortschritt«, so Palmer. Natürlich bedeute das mehr Hubschrauberflüge für Tübingen. Schon heute würden viele Patienten durch die Luft antransportiert. Auch die Uniklinik habe einen Landeplatz. Es seien aber keine Nachtflüge vorgesehen. »Und für die Rettung von Menschenleben kann Hubschrauberlärm kein Ausschlussgrund sein.« Das habe erfreulicherweise auch eine Mehrheit der Bürger in Wannweil so gesehen, wo vor wenigen Wochen ein Bürgerentscheid über die Bereitstellung eines Landeplatzes stattgefunden hat.
Petition findet bundesweit 3.901 Unterstützer
Zunächst hatte der Gemeinderat Wannweil Ende Juli 2022 mehrheitlich abgelehnt, dass der Rettungshubschrauber auf Wannweiler Gemarkung stationiert werden soll. Es stimmten damals acht Gemeinderäte dagegen und fünf samt Wannweils Bürgermeister Dr. Christian Majer dafür. Damit war das Thema zunächst vom Tisch. Allerdings formierte sich schnell Widerstand sowohl von Wannweiler als auch von Reutlinger Bürgern gegen die Entscheidung.
Auch Friedrich Pühringer, der Ärztliche Direktor und Chefarzt Anästhesie der Reutlinger Kreiskliniken, kritisierte die Ratsentscheidung. Kevin Krumm aus Reutlingen sammelte Unterschriften auf dem Internetportal Open Petition und fand bundesweit 3.901 Unterstützer für einen Rettungshubschrauber im Landkreis Reutlingen, darunter 3.212 aus dem Kreis selbst.
Den viel größeren Einfluss hatte allerdings das Bürgerbegehren von Birgitte und Marc Hain sowie Gerhard Euchenhofer aus Wannweil. Sie sammelten Unterschriften und reichten diese im Rathaus ein. Von denen waren aus formalen Gründen 372 gültig. Später sammelten sie weitere 208 Unterschriften. Sie ebneten durch die große Unterstützung den Weg zum Bürgerentscheid. Am 6. November stimmten 57,6 Prozent der Wannweiler für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses bei einer Wahlbeteiligung von 56 Prozent.
Die neuen Luftrettungsstandorte in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wird die Anzahl der Rettungshubschrauber von acht auf zehn erhöht. dadurch und dank einer Verlegung von Rettungshubschraubern schließe man Lücken bei der Luftrettung, sagte Wilfried Klenk. Das sind die neuen Standorte:
Neubau eines Luftrettungsstandortes in Lahr (Ortenaukreis)
Neubau eines Luftrettungsstandortes im Bereich Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis)
Christoph 11 Villingen-Schwenningen (Standort unverändert, Einsatzbereitschaft 24 Stunden)
Christoph 22 Ulm (unverändert, Ausweitung in den Randzeiten)
Christoph 41 Tübingen BG-Klinik (anstelle Leonberg)
Christoph 43 Karlsruhe St. Vincentius Krankenhaus (Rückverlegung von Interims-Standort Baden-Airpark)
Christoph 45 Deggenhausertal-Wittenhofen (anstelle Friedrichshafen)
Christoph 51 Stuttgart/Pattonville (Standort unverändert, neu: Einsatzbereitschaft 24 Stunden)
Christoph 53 Mannheim (unverändert)
Christoph 54 Freiburg (unverändert)