BERLIN. Eltern sollen bis zu 20 Wochen Lohnersatz bekommen können, wenn sie ihre Kinder wegen Corona-Einschränkungen bei Kitas und Schulen zu Hause betreuen müssen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, die »nachrangige Lohnfortzahlung« werde je Elternteil auf bis zu zehn Wochen verlängert, für Alleinerziehende auf bis zu 20 Wochen. »Das gibt die nötige Sicherheit in ungewisser Lage.« Bislang ist die Entschädigung auf sechs Wochen begrenzt.
Ein entsprechender Änderungsantrag aus dem Gesundheitsministerium solle heute vom Kabinett beschlossen werden, hieß es in dem Bericht unter Berufung auf Ministeriumsangaben. »Berufstätige Eltern tragen derzeit eine große Last. Solange Kindergärten und Schulen nicht wieder verlässlich für alle geöffnet sind, brauchen hier viele unsere besondere Unterstützung«, sagte Spahn.
Wer in der Corona-Krise wegen der Betreuung kleiner Kinder nicht arbeiten kann und deshalb kein Geld verdient, erhält bisher für maximal sechs Wochen 67 Prozent des Nettoeinkommens als Entschädigung, höchstens 2016 Euro im Monat. Der Arbeitgeber zahlt das Geld aus und kann es sich von den Behörden erstatten lassen. Weil Kitas und Schulen voraussichtlich noch längere Zeit nicht in den Regelbetrieb gehen können, wird nun eine Verlängerung angestrebt. Die Entschädigung ist im Infektionsschutzgesetz geregelt.
Die SPD hatte bei dem Thema Druck gemacht. Am Montag sprach sich nach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auch CSU-Chef Markus Söder dafür aus, die Entschädigungsregelung bei Verdienstausfall auszuweiten. Wie viele Eltern die Leistung insgesamt inzwischen in Anspruch genommen haben, ist bisher unklar. Das Bundessozialministerium wies am Montag darauf hin, dass dies in der Zuständigkeit der Länder liege.
Unterdessen mehren sich Rufe nach mehr Tempo bei der Öffnung von Schulen und Kitas. »Wenn vier medizinische Fachgesellschaften dazu aufrufen, Kitas und Schulen vollständig zu öffnen, muss die Politik so schnell wie möglich reagieren«, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Mehrere Medizinerverbände, darunter der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, hatten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine umgehende Komplettöffnung von Kindergärten und Schulen ausgesprochen.
»Nach Ansicht der Fachverbände sind Kinder keine starken Treiber der Pandemie. Daraus müssen wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen«, sagte Lindner. Die Corona-Krise dürfe nicht länger auf dem Rücken von Kindern und Eltern ausgetragen werden. Es brauche »schleunigst kluge und mutige Stufenpläne«, wie Schulen und Kindergärten schneller zurück in den Unterricht geführt werden könnten. Die Länder entscheiden darüber in Eigenregie.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«: »Alle Akteure auf Bundes- und Länderebene müssen sich jetzt bei einem Spitzentreffen dringend an einen Tisch setzen, um zu handeln.« Bund und Länder müssten mit Hochdruck daran arbeiten, »dass der eingeschränkte Regelbetrieb aufgenommen wird und alle Kinder wieder in Kitas und Schulen können«. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sagte der Zeitung: »Wenn sich wirklich bewahrheiten sollte, dass Kinder eine geringere Infektions- und Ansteckungsrate haben, können wir anders über die Rückkehr zum vollständigen Regelbetrieb diskutieren«. Noch gebe es dazu aber »keine gesicherten Erkenntnisse«, fügte sie hinzu.
Wochenlang waren in ganz Deutschland Schulen und Kitas wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Seit Ende April wurde der Schulbetrieb stufenweise wieder aufgenommen. Schüler werden abwechselnd in der Schule und zu Hause unterrichtet und in kleinere Gruppen eingeteilt, um die Abstandsregeln einzuhalten. In den Kitas wird derweil die Notbetreuung weiter ausgeweitet. Wann sie in den Regelbetrieb zurückgehen, entscheiden die Bundesländer selbst, ebenso über das weitere Vorgehen an den Schulen. In Sachsen sind Grundschulen und Kindergärten für alle seit Wochenbeginn wieder geöffnet.
Die Vorsitzende des Grundschulverbandes, Maresi Lassek, sprach sich dafür aus, während der Corona-Pandemie auch auf die Hilfe von Lehramtsstudenten zurückzugreifen. »Lernen wir in den Schulen vom Gesundheitswesen«, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). »So wie Medizinstudenten in Zeiten von Corona in den Krankenhäusern aushelfen, müssen wir auch die Lehramtsstudierenden in die Schulen holen.« Die Studenten könnten »wertvolle praktische Erfahrungen sammeln«, sagte sie. »Und in den Schulen wären mehr Menschen, die sich um die Betreuung von kleinen Lerngruppen kümmern können.« (dpa)