Unsere Welt ist ein Kartenhaus. Sie steht auf einem wackligen, fragilen Fundament. Das bekommen in diesen Tagen viele Menschen hautnah zu spüren. Bei den Arbeitern von VW gibt es ein böses Erwachen. Wer dort arbeitete, glaubte, eine lebenslange Garantie auf einen sicheren Arbeitsplatz und Wohlstand zu haben. Autos aus Wolfsburg waren ein Verkaufsschlager. Nun geht es um Werkschließungen, Arbeitsplatzabbau und Gehaltseinbußen. Das deutsche Exportmodell wankt und damit Tausende Arbeitsplätze von Kiel über Reutlingen bis Konstanz.
In der Politik reicht ein Blick ins Parlament, um den aufziehenden Wandel zu verstehen. Der Bundestag galt als Grundlage für die Stabilität Deutschlands und war die Basis für solides Regieren. Doch auch das entpuppt sich als Kartenhaus. Nach der Bundestagswahl werden dort vermutlich sieben Parteien vertreten sein. Viele Bürger fühlen sich durch CDU, SPD, Grüne, Linkspartei und FDP nicht ausreichend repräsentiert. In diese Lücke stoßen neue Gruppierungen wie AfD oder BSW. Auch das ein Symbol dafür, dass es in Zukunft schwieriger wird, eine stabile Regierung zu bilden.
Das nächste Jahr wird geprägt sein von Zäsuren. Die Zeit der Sicherheit und der Gewissheiten ist vorbei. Wer hätte gedacht, dass das Regime in Syrien so schnell zusammenbricht? Wer hätte gedacht, dass die Hamas diesen schrecklichen Überfall auf Israel verübt und hunderte Juden als Geiseln nimmt? Es gibt keine regionale Ordnung mehr und damit keine verlässlichen Regeln in der Weltpolitik. Deshalb konnte Putin die Ukraine überfallen. Amerika zieht sich aus der Rolle als Supermacht zurück. Der überstürzte Abzug aus Afghanistan ist das eindrücklichste Beispiel für diesen Sinneswandel. Gleichzeitig entsteht mit China, Russland, Iran und Nordkorea eine neue Achse der Autokraten, die die internationalen Regeln bestimmen wollen. Dieser Kampf um die globale Neuordnung wird das nächste Jahrzehnt bestimmen. Ausgang offen.
Die Nato und das Bündnis mit den USA haben Deutschland in dieser Welt voller Veränderungen und Gefahren Sicherheit gewährt. Doch wenn im Januar Donald Trump ins Weiße Haus einzieht, ist es vorbei mit den alten Gewissheiten. Trump stellt Amerikas Interessen in den Mittelpunkt seiner Politik. Die Folgen sind absehbar: Deutschland wird mehr tun müssen für seine Sicherheit und auch um seine Autos, Maschinen und Dienstleistungen auf einem von Zöllen und Vorschriften geprägten Weltmarkt zu verkaufen.
Doch es hilft nicht zu jammern. Damit es wieder aufwärts geht, müssen wir die Ärmel hochkrempeln und die Weichen richtig stellen. Nur so können wir unseren Wohlstand und unseren Lebensstil sichern. In der Politik müssen sich die Parteien neu justieren. Das ist die Botschaft, die man aus dem Erstarken der Populisten herauslesen kann. Wer die Rechte von Minderheiten und von Migranten in den Mittelpunkt des Regierungshandelns stellt, schwächt die Stabilität der Demokratie und stärkt die Ränder. Es ist Zeit für eine Neubesinnung auf die gesellschaftliche Mitte. Darin liegt die Chance dieses Zeitalters der Zäsuren. Es gibt uns die Gelegenheit, sich von Altem zu trennen und die Tür aufzustoßen, um ein neues Fundament für Wohlstand und Sicherheit in einer unsicheren Welt zu errichten.