Insgesamt lassen sich in Deutschland 18 Infektionen mit der EM in Verbindung bringen, wie die EU-Agentur in ihrem wöchentlichen Bericht mitteilte. Vier Partien hatten in München stattgefunden, die letzte am 2. Juli zwischen Belgien und Italien. Insgesamt wurde in der vierten Turnierwoche im Vergleich zur Vorwoche ein leichter Anstieg auf 2535 Infektionsfälle verzeichnet.
In Ländern, in denen es Massenansammlungen wie bei der EM und keine ausreichenden vorbeugenden Maßnahmen gebe, werde erwartet, dass das Risiko von europaweiter Übertragung von Covid-19 und Varianten des Coronavirus steige, heißt es in dem Bericht.
Die britische Regierung hatte zuletzt insbesondere wegen der sehr hohen Impfquote angekündigt, zum 19. Juli die Corona-Maßnahmen fallen zu lassen. Die Aussicht darauf sorgte offenbar bereits am Wochenende dafür, dass die Londoner zu Tausenden in die Innenstadt strömten. Trotz der großen Verbreitung der als ansteckender geltenden Delta-Variante. Beim EM-Finale am Sonntagabend wurden mehr als 60 000 Menschen im Wembley-Stadion erwartet.
Zwar galten dort wie schon während des gesamten Turniers die Hygienemaßnahmen der Europäischen Fußball-Union UEFA. Das vorgeschriebene negative Selbsttestergebnis konnten die Besucher beispielsweise aber selber online eintrage, ohne das an den Stadiontoren die Richtigkeit überprüft wurde. Die Entscheidungshoheit über die Zulassung von Zuschauern lag in allen elf EM-Gastgeberstädten bei den jeweiligen Regierungen.
»Auf dieser EM liegt ein Schatten, und die UEFA hat durch ihre ignorante Vorgehensweise Todesfälle zu verantworten. Das muss so klar gesagt werden. Die UEFA hat in meinen Augen versagt«, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Magazin »11Freunde« (Sonntag). Dieses Turnier signalisiere, dass Corona vorbei wäre, aber Corona sei nicht vorbei. »Die EM hat sich für dieses fatale Signal missbrauchen lassen«, kritisierte er.
Insbesondere die Zulassung der Vielzahl von Zuschauern im Wembley-Stadion sieht der 58-Jährige als Gefahr. »Wembley ist komplett außer Kontrolle geraten«, sagte Lauterbach. Die Engländer würden sich in einer Phase der Pandemie befinden, in der sie sehenden Auges einen sehr großen Teil der erwachsenen Bevölkerung chronisch krank machen könnten. Nach seiner Meinung wäre es sinnvoll gewesen, »die Zuschauerzahl auf ein Fünftel der Kapazität zu senken«.
Schottland ist nach Angaben der ECDC mit 1991 Fällen, die in Verbindung zur EM stehen, weiter am weitaus stärksten betroffen. Diese Zahl hat sich im Vergleich zur vorigen Woche nicht erhöht. Die schottische Mannschaft hatte ihre EM-Gruppenspiele in Glasgow und im Wembley-Stadion ausgetragen. Einen Anstieg auf 481 Infektionen gab es in Finnland.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hatte zuletzt Kritik von Corona-Experten an der EM zurückgewiesen. »Die Teams verhalten sich hochprofessionell«, sagte der 53-Jährige der BBC. »Auch in den Stadien sind wir sehr strikt, und wenn ich höre, dass Politiker sagen, Menschen hätten sich bei den Spielen infiziert, ohne jeden Beweis, dann enttäuscht mich das ein bisschen.« Der Slowene bezog sich direkt auf die Zahlen aus Schottland.
»Einige sagen, 2000 schottische Fans seien infiziert, aber die schottischen Fans, die ins Stadion gegangen sind, waren getestet«, sagte Ceferin. Es seien auch 20 000 Menschen ohne Ticket nach London gekommen. »Du wirst im Park nicht getestet«, sagte Ceferin. »Den Fußball zu beschuldigen, das Virus zu verbreiten, ist aus meiner Sicht unverantwortlich.«
Für das ECDC prüfen täglich mindestens zwei Experten das Infektionsgeschehen rund um die Fußball-EM. Die Untersuchungen begannen eine Woche vor Turnierbeginn und enden eine Woche nach dem Endspiel an diesem Sonntag. (dpa)