BERLIN. Tausende Amateur- und Freizeitsportler, Vereine oder Verbände werden vor den Corona-Beratungen der Politik wieder hoffen - vermutlich vergebens.
Zwar mahnen der DOSB und die Landessportbünde Lockerungen und eine schnellstmögliche Wiedereröffnung aller bundesweiten Spiel- und Sportstätten an, zwar warnen Athletenvertreter und Fachverbände vor weitreichenden Folgen der pandemiebedingten Beschränkungen vor allem für Kinder und Jugendliche. Und doch wird es bei den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder am Montag wohl nicht um Aufweichungen des Teil-Lockdowns gehen - im Gegenteil.
Ohnehin steht der Sport auf der Prioritätenliste aktuell nicht ganz oben. Ein Ende der Geisterspiele in den Bundesligen, auch im Profifußball, wird es vorerst nicht geben. Wie fragil und teilweise schwer zu durchschauen aktuell die Situation ist, verdeutlichten in den vergangenen Tagen die Spielabsagen in der Handball-Bundesliga, die Quarantäne-Maßnahmen bei Vereinen wie der TSG 1899 Hoffenheim in der Fußball-Bundesliga und nicht zuletzt natürlich die Unsicherheit über die Austragung des Nations-League-Spiels der Fußball-Nationalelf wegen positiver Corona-Fälle beim Gegner aus der Ukraine.
»Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen«, sagte Merkel am Wochenende in ihrem Video-Podcast. Wichtige(re) Themen am Montag werden andere sein: die Lage an den Schulen oder die Situation für die derzeit geschlossenen Freizeit- und Kultureinrichtungen und Restaurants. Und doch gelten die Merkel-Worte auch für den Sport, der sich in allerlei Bereichen vermutlich auf weitere harte und entbehrungsreiche Monate wird einstellen müssen.
Betroffen sind davon der Profisport und der Amateur- und Freizeitsport gleichermaßen. Ein Dilemma, auf das Athletensprecher Max Hartung immer wieder hinweist. Zum einen blickt der Säbelfechter mit großer Sorge auf die Sicherheit oder die Einkommenssituation vieler Spitzensportler. »Meiner Einschätzung nach sind wir jetzt am Beginn einer Phase, die wie ein Spagat wirkt, die wieder sehr, sehr heikel wird jetzt im Sportbetrieb«, sagte der Gründungspräsident der Vereinigung Athleten Deutschland am Samstagabend.
Zum anderen befürchtet der 31-Jährige den Verlust einer ganzen Sportlergeneration. »Viele junge Sportler könnten es vorziehen, ihr Talent lieber in andere Bereiche zu stecken. Was gerade verloren geht, wird erst Jahre später sichtbar werden«, sagte Hartung der »Süddeutschen Zeitung«. Ähnlich äußerte sich Turner Marcel Nguyen.
Auf die Frage, ob er befürchte, dass dem Turnen durch die Schließungen der Hallen Talente verloren gehen könnten, sagte der zweimalige olympische Silbermedaillen-Gewinner von London im »Aktuellen Sportstudio« des ZDF: »Ich habe definitiv die Befürchtung.« In der vergangenen Woche baten der Deutsche Fußball-Bund und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Politik um Lockerungen der Corona-Einschränkungen im Amateurbereich - vor allem für Kinder und Jugendliche bei Sport unter freiem Himmel.
Sport und Bewegung seien »wichtiger Bestandteil der Bildung« und Sporttreiben nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung der Pandemiebekämpfung, hieß es in einem Offenen Brief des DOSB.
Doch die allgemeine Tendenz geht eher in Richtung Verschärfungen als hin zu Lockerungen. So hat Bayerns Staatsregierung zuletzt sämtlichen Freizeitsport in der Halle mit sofortiger Wirkung untersagt - auch den, den es kurz zuvor noch für ungefährlich hielt, wie etwa Tennis oder Reiten. »Wir haben für diese überhastete Maßnahme kein Verständnis - die Volksseele unserer Sportlerinnen und Sportler, Sportvereine und Sportfachverbände brodelt«, erklärte daraufhin der Präsident des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV), Jörg Ammon.
Im Dilemma zwischen Infektionsschutz und Kontaktbeschränkungen auf der einen und der Möglichkeit des Sporttreibens auf der anderen Seite scheint die Richtung der Politik derzeit recht kompromisslos. (dpa)