REUTLINGEN. War die Allgemeinverfügung, mit der die Stadt Reutlingen und das Landratsamt die Corona-Demonstration vom 18. Dezember 2021 verboten haben, rechtens? Das Landratsamt führte »infektionsschutzrechtliche«, die Stadt »versammlungsrechtliche« Gründe an. Doch gab das Infektionsschutzgesetz das Versammlungsverbot noch her, nachdem die »epidemische Lage von nationaler Tragweite« vom Bund als beendet erklärt worden war?
Und, bei Verneinung dieser Frage: Hätten die von der Stadt angeführten Gründe gereicht? Etwa die Ausführung, dass sich Versammlungsleiter Manuel Tharann als »unzuverlässig« erwiesen habe, dass nicht davon auszugehen sei, er werde sich um die Einhaltung von Auflagen wie der Maskenpflicht kümmern.
Richter Hausch hätte die Begründung der für das Verbot gereicht
»Das wird ewig ungeklärt bleiben«, sagt Eberhard Hausch. Als Richter am Reutlinger Amtsgericht haben er und 14 Kollegen sich mit der Frage intensiv auseinandersetzen müssen: in über 250 Verfahren, in denen bei der Demonstration Eingekesselte Widerspruch gegen ihren Bußgeldbescheid einlegten. »15 Richter, 15 Meinungen.« Viele hätten Verfahren eingestellt oder nur geringe Bußgelder verhängt. Die uneinheitliche Linie sei »juristisch unbefriedigend. Deswegen gibt es eigentlich Obergerichte.«
Doch das Verwaltungsgericht Sigmaringen habe sich unlängst »elegant von der Frage verabschiedet«. Weil die Klagende zunächst angegeben hatte, selbst nicht Demo-Teilnehmerin gewesen zu sein, ließen die Sigmaringer die Klage letztlich nicht zu. Der Reutlinger Amtsrichter geht davon aus, dass die Landratsamts-Begründung vorm Verwaltungsgericht nicht halten würde. »Mir hätte aber die Stadtbegründung allein schon für das Verbot gereicht.«
»Ein Einsatz wie bei 1.000 Hooligans«: Das Polizeivorgehen an diesem Abend sieht Eberhard Hausch kritisch. Junge Bereitschaftspolizisten, frisch aus der Ausbildung, die sich gefreut hätten, in Einsatz zu kommen, Kommunikationsprobleme: Auf der Straße habe »Chaos« geherrscht. (igl)