STUTTGART. Antrag abgelehnt, Reutlingen wird kein Stadtkreis. Zumindest jetzt noch nicht. Für Barbara Bosch war diese Entscheidung keine Überraschung. Den Entschließungsantrag kannte sie ja bereits durch die Medien. Im Anschluss an die heutige Sitzung im Stuttgarter Landtag stellte sich die Reutlinger Oberbürgermeisterin im Flur den Fragen der Journalisten, während Landrat Thomas Reumann im Medienzentrum eine Pressekonferenz abhielt. Sie wirkte gefasst, beantwortete geduldig und ruhig die Fragen der Journalisten. Ihre Enttäuschung über das Votum der Landtagsabgeordneten konnte sie jedoch nicht verstecken.
Deutlich wie selten fiel ihre Kritik am Umgang mit der Stadt aus. Ernsthaftigkeit, Wille, sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Thema - all das vermisst sie bei einigen Abgeordneten. In einigen Wortbeiträgen moniert sie sogar Falschdarstellungen.
»Es ist eine Niederlage für die Stadt. Der Gemeinderat fühlt sich nicht ernstgenommen«, sagte Bosch. Es sei »beschämend wie hier mit einem demokratisch gewählten Gremium umgegangen wird«, so die OB weiter. Auf einer Dreiviertelseite sei der Verwaltung mitgeteilt worden, dass der Landtag die Pros Und Kontras einer möglichen Stadtkreis-Gründung sorgfältig abgewogen hatte. Die Abwägung selbst, was dafür und was dagegen spricht, sei verschwiegen worden.
Auch der Kompromissvorschlag der Regierungskoalition hinterlässt bei der Reutlinger Rathaus-Chefin Fragezeichen. »Irgendwie soll irgendwann mit irgendeinem, irgendwas diskutiert werden«, sagte Bosch ratlos, kündigte allerdings an, die Stadt werde nachfragen, über welche Rahmenbedingungen man denn jetzt genau nachdenken soll.
Bosch unterstellt den Abgeordneten, sich vor einer Entscheidung gedrückt zu haben. »Ein in die Knie gehen des Landtags«. Und zwar deshalb, weil die Stadtkreisgründung Reutlingens kein für Baden-Württemberg relevantes Thema sei und man, egal wie man entscheide, keinen Blumentopf gewonnen hätte.
Die Stadt hat jetzt die Möglichkeit, Beschwerde beim Verfassungsgericht einzulegen, mit der Begründung, dass keine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Thema stattgefunden hat. Spätestens im Januar soll über eine Klage entschieden werden, kündigte Bosch an.
Sollte Reutlingen recht bekommen, könnte seinerseits der Landkreis klagen. Das würde Gespräche zwischen Stadt und Kreis allerdings nicht beeinträchtigen, sagte Thomas Reumann. Anders als die OB, begrüßte der Landrat die Entscheidung gegen eine Stadtkreis-Gründung, weil sie seiner Ansicht nach auf einer »guten und aussagekräftigen Grundlage« stattgefunden habe.
Entscheidend sei in Zukunft allerdings nicht, wer wofür zuständig ist, sondern wie große gesellschaftliche Herausforderungen, wie demographischer Wandel und Digitalisierung, zu bewältigen sind. Deshalb möchte er die Zusammenarbeit mit der Stadt verbessern. »Wir nehmen den Auftrag des Landtags ernst«, so Reumann. Ziel müsse ein partnerschaftliches Miteinander sein.
Dafür sind allerdings Gespräche zwischen Stadt und Kreis nötig. Und dafür sei der Landrat laut Barbara Bosch und Verwaltungsbürgermeister Rober Hahn in der Vergangenheit allerdings nicht immer bereit gewesen sein. »Ich spreche nicht mit euch, solange der Landtag nicht entscheidet«, soll Reumann zum Thema Stadtkreis-Gründung gesagt haben. Der Landrat bestreitet das. Gute Voraussetzungen sind das sicherlich nicht, um beide Parteien an einen Tisch zu bekommen. (GEA)