HAYINGEN-EHESTETTEN. Auf diese Aufgabe hatte Tim Mälzer eigentlich so gar keinen Bock. In der Vox-Sendung »Kitchen Impossible«, die am Sonntagabend ausgestrahlt worden ist, wollte sein Kontrahent Hendrik Haase, dass der Fernsehkoch als besondere Herausforderung diesmal ein »brutal regionales« Gericht nachkochen muss – und schickte ihn deswegen nach Hayingen-Ehestetten zu Bio-Spitzenkoch Simon Tress, einem richtigen »Ur-Öko«, so der Food-Blogger.
Mälzer wollte seine Enttäuschung erst gar nicht verbergen. In der Vergangenheit hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass ihn dieser »brutale Regionalismus« und die »überfrachtete Bedeutung von Essen« aufrege. Auch in der Show machte der 51-jährige Hamburger klar: »Ich will nicht irgendwas selber sammeln. Ich möchte was Richtiges kochen. Mit Zutaten, die ich im Supermarkt bekomme.« Der Besuch im Bio-Restaurant Rose erfüllte dann aber genau diese Befürchtungen. »Nachhaltigkeit ist für uns die oberste Priorität«, erklärte Simon Tress. Die meisten Lebensmittel werden selbst angebaut oder selbst hergestellt. Die Besonderheit: Der 39-Jährige kocht nur mit dem, was er in einem Umfeld von nur 25 Kilometern findet. Mit dieser Einschränkung musste Mälzer dann auch Tress’ Gericht »Karotte vs. Kohlrabi« nachkochen, allerdings ohne die Zutaten dafür zu kennen.
Tim Mälzer: »Es waren alle Parameter erfüllt, damit ich es scheiße finde«
Als Tress Mälzer einen Teller mit seinem Gericht zum Probieren und Analysieren servierte, war dieser entsetzt. »Oh Gott, ein Philosophen-Teller«, seufzte er. »Versteht das nicht falsch«, sagte Mälzer an die Zuschauer gerichtet. »Ich feier das Essen dort ab. Aber in der Analyse ist das so …« Der ansonsten so redselige TV-Koch fand erst mit etwas Anlauf Worte. »Das ist ja lecker, aber ich muss das ja nachkochen. Da würde ich mir gerade lieber Klebstoff in die Augen spritzen.«
Kitchen Impossible
»Kitchen Impossible« ist eine Kochshow, die seit 2014 auf dem Fernsehsender Vox ausgestrahlt wird. Die Folgen einer Staffel werden sonntags um 20:15 Uhr ausgestrahlt. In dem Format treten zwei prominente Fernsehköche gegeneinander an. Tim Mälzer ist dabei meistens als ein Kandidat gesetzt. Die Duellanten schicken sich gegenseitig an ihnen unbekannte Orte, wo sie versuchen müssen, eine einheimische Spezialität eines örtlichen Spitzenkoches ohne Wissen der kompletten Zutatenliste möglichst perfekt nachzukochen. Familienmitglieder, Freunde oder Stammgäste des ortsansässigen Koches bewerten dann, wie nah das nachgekochte Gericht geschmacklich an das Original heranreicht. Der Koch mit der insgesamt besseren Bewertung gewinnt das Duell. »Kitchen Impossible« wurde 2017 und 2018 für den Grimme-Preis nominiert. In diesen Jahren gewann die Sendung den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie »Bestes Factual Entertainment«. (GEA)
Mälzer war dann aber doch nicht ganz auf sich allein gestellt. Tress nahm ihn auf einem Traktor mit zu einem Imker, einem Milchbauern und aufs Feld, wo der TV-Koch den Kohlrabi selbst aus der Erde zog – und darüber lauthals fluchte. Auch, als Mälzer Sahne, Butter oder Rapsöl selbst herstellen musste, schimpfte er vor sich hin: »Das ist Peter Lustig aus der Hölle, was ich hier machen muss.« Im Nachhinein sagte Mälzer: »Es waren alle Parameter erfüllt, damit ich es scheiße finde. Ich fand es auch richtig scheiße. Bis ich Simon kennengelernt habe.«
Im Lauf des Besuchs auf der Schwäbischen Alb verwandelte sich das Rumpelstilzchen völlig unerwartet in jemanden, der Gefallen an dieser »brutal regionalen« Art zu kochen fand. »Das war schon ein bisschen cool«, urteilte er etwa über die Ölpresse und überlegte glatt, sich auch so ein Teil anzuschaffen. Dieser Sinneswandel hatte vor allem mit Simon Tress zu tun. »Kulinarik funktioniert nicht im Kopf, es braucht Menschen.« Die herzliche Art des Hayingers und seine Kompetenz schienen den TV-Koch so nachhaltig beeindruckt zu haben, dass er ihn sogar als »Freund« bezeichnete. Auch Tress war begeistert: »Er hat es angenommen und war mit Herzblut dabei.« Der Originalkoch gab sogar zu, dass sein Gast die Soße besser hinbekommen hätte als er. Das lag daran, dass Mälzer das Gericht auf seine Art kochte, immer wieder improvisierte. »Wenn ich nicht weiß, wie es geht, mache ich es eben so, dass es lecker ist. Ich bin eben ’ne Hausfrau.«
Das größte Lob kommt von der Mutter von Simon Tress
Das kam bei der Familie Tress gut an, die das nachgekochte Gericht probierte und bewertete. Einer der Brüder meinte sogar: »Die Karotte von Tim ist spannender, das muss mein Bruder jetzt aushalten.« Dann bekam Mälzer das wohl größte Lob seiner Karriere: »Ich glaub, den kann ich adoptieren«, sagte die Mutter von Simon Tress. Da verschlug es sogar Mälzer die Sprache. In der Bewertung der Familie erhielt er 8,4 von 10 möglichen Punkten. Damit gewann er das Duell der Kochshow gegen seinen Herausforderer Hendrik Haase eindeutig. Doch das schien zur Nebensache geworden zu sein.
Einmaliges Erlebnis bei »Kitchen Impossible«
In Ehestetten hatte Mälzer »die besten Tage bei Kitchen Impossible«, sagte er rückblickend. »Simon hat es geschafft, dieser oft fehlkommunizierten Philosophie so was wie ein Herz zu geben. Ich will nicht sagen, dass ich geläutert bin, aber viel offener geworden. Tolle Familie, tolles Konzept, mehr davon.« (GEA)
Die ganze Folge von »Kitchen Impossible« mit Simon Tress, gibt's auf der Streaming-Plattform RTL+ zu sehen.