Im ersten von drei Frage-Antwort-Beiträgen, die in Folge jeweils mittwochs erscheinen, nehmen die Kandidaten Stellung zu den Themen Innenstadtbelebung, Wirtschaftsförderung, Vorteile des Biosphärengebiets und Flächenverbrauch.
Frage 1: Der Innenstadt fehlt ein Kundenmagnet – wie ehemals der dm-Markt. Das Dienstleistungs- und Einkaufszentrum steht weitgehend leer, auch viele kleine, inhabergeführte Läden haben aufgegeben. Welche konkreten Ideen haben Sie, um die Innenstadt zu beleben?
Martin Fink (Personalberater und Inhaber eines Fachbüros für Sprengtechnik): Kurzfristig: Themenwochen, Motto-Markttage, Jubiläumsaktionen »Pfulben und Bürgerbus«, ab dem Frühjahr 2022 wird die Stadt ergänzend mit dem neuen Stadt- und Bürgerbüro in den Rathausarkaden und dem I-Punkt belebt. Ziel: der neu gestaltete Markt- und Passyplatz auch in Verbindung mit dem neuen Beleuchtungskonzept als gern besuchte Aufenthaltsorte.
Timo Plankenhorn (Referent des OB von Sindelfingen und stellvertretender Hauptamtsleiter): Pfullingen ist mehr als nur der Marktplatz. Wir haben einen ganzen Bereich, der das Zentrum unserer Stadt darstellt, eine Pfullinger Mitte. Belebung ist in erster Linie eine Frage von Frequentierung. Erst wenn die Menschen wieder da sind, kommen auch die Geschäfte zurück. Ich werde deshalb Gastronomie stärken und neue Erlebnis-Gastronomie und Cafés in der Pfullinger Mitte ansiedeln und so die Menschen wieder ins Herz der Stadt bringen. Damit wird Pfullingen als Standort attraktiv, nicht nur für die Ladenbesitzer in der Innenstadt, sondern im weiteren Sinne genauso für die Einwohner und die Gäste Pfullingens – davon profitieren am Ende alle lokalen Unternehmen.
Sven Bohnert (Selbstständiger Rechtsanwalt): Ein Kundenmagnet allein würde auch in Zukunft bedeuten, die Stadtbelebung von einem Anbieter abhängig zu machen. Ich will eine Waren- und Dienstleistungsstruktur, die aufgrund ihrer Außergewöhnlichkeit ihresgleichen sucht und Pfullingen damit als einzigartige Gemeinde in der Region kennzeichnet. Voraussetzung ist eine Bestandsaufnahme des Leerstandes, der ungenutzten und brachliegenden Flächen und Plätze. Ich werde Immobilieneigentümer und Selbstvermarkter zusammenbringen und eine mögliche Zusammenarbeit, Ladenöffnung und Vertragsgestaltung mitbegleiten, damit der Einfluss und der Ausbau einer Stadt mit einem besonderen Waren und Dienstleistungsangebot langfristig erreicht wird.
Detlev Gottaut (Unternehmer): Die Stadt braucht Kristallisationspunkte – zur Belebung über den Tag und für den Feierabend. Wenn Unternehmensgründer in diesem Bereich mit ihren Ideen auf die Stadt zukommen, werde ich schlüssige Konzepte unterstützen. Für den Abend und die Wochenenden wünsche ich mir eine lebendige Kleinkunstszene – es gibt genügend regionale Talente, die darauf sehnsüchtig warten. Das bedeutet eine Belebung der gebeutelten Gastronomie, Perspektiven für Künstler und ein befreiendes Durchatmen für uns alle.
Stefan Wörner (Finanz- und Verwaltungsbürgermeister): Freies WLAN und attraktive Kinderspielgeräte führen zu mehr Aufenthaltsqualität und längerem Verweilen. Da ich einen Wirtschaftsförderer als Stabsstelle des Bürgermeisters installieren werde, besteht die Aufgabe in der Akquise frequenzbringender Geschäfte. Der Branchenmix muss attraktiver werden, um Kaufkraft zu binden. Weiter stelle ich mir Themenwochen (z. B. Biosphären-Wochen) vor, die gemeinsam mit den Einzelhändlern, Gastronomen und den Vereinen veranstaltet werden und die Besonderheiten und Vielfalt Pfullingens hervorheben. Ergänzt wird das Ganze um eine Online-Visitenkarte in Form eines »Digitalen Marktplatzes«, die das vielfältige Spektrum, das Pfullingen zu bieten hat, aufzeigt.
Frage 2: Pfullingen ist eine der Gründerkommunen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Wie kann die Stadt diese Mitgliedschaft verstärkt zu ihrem Vorteil nutzen?
Fink: Schaffung weiterer ortstypischer Biosphärenangebote (Pfullinger Produkte und Dienstleistungen, Gläserne Produktion, Ausbau und Vernetzung der Pfullinger Themenwege und Themenführungen, Förderung von Patenschaften mit Vereinen, Schulen und Kindergärten, etwa zum Erhalt, Pflege und Vermarktung der Erträge der Streuobstwiesen).
Plankenhorn: Pfullingen ist ein Tourismus-Standort. Das wissen wir alle spätestens seit dem Winter, als halb Baden-Württemberg zum Schlittenfahren und Wandern hierhergekommen ist. Dieses Potenzial nutzen wir bisher überhaupt nicht aus. Einmal im Jahr einen Stand auf der CMT zu machen, hat nichts mit Tourismus (ankurbeln) zu tun. Wir sollten den Tourismus durch gezielte Werbemaßnahmen ankurbeln, immerhin haben wir mehrere Hotels, zahlreiche Ausflugsziele, Erlebniswege, einen Wohnmobilstellplatz und seit Neuestem sogar »Premium-Wanderwege«. Andere Kommunen im Biosphärengebiet machen schon seit Jahren vor, wie das geht. Auch wir müssen endlich in den Reiseführern, offline wie online, vertreten sein!
Bohnert: Stadtbelebung mit einem besonderen Warenangebot, welches die Vorzüge des Biosphärengebiets Schwäbische Alb zum Schwerpunkt hat. Dies kann im Sinne eines nachhaltigen Tourismus beworben werden. Pfullingen als Startpunkt für Tagesausflüge in der Stadt selbst, in das Biosphärengebiet, schaffen Bekanntheit und Nutzen für den örtlichen Einzelhandel, für Gastronomie und Hotellerie und führen im Ergebnis, als weiterer Mosaikstein, zu einer Belebung der ganzen Stadt. Ich will eine eigene Zuständigkeit für Stadtmarketing schaffen, die – eng verzahnt mit Wirtschaftsförderung – Handel und Gewerbe, Gastronomie und Hotellerie an einen Tisch bringt und nachhaltige Angebote entwickelt und bewirbt.
Gottaut: Gemeinsam mit den Naturvereinen können hier Konzepte erarbeitet werden, um verstärkt auswärtige Besucher anzulocken. Unter anderem kann auch ein funktionierendes Regionalbahnkonzept einen Beitrag hierzu leisten.
Wörner: Die Bürgerschaft kann mit dem Begriff Biosphärengebiet wenig anfangen und außer einer Tafel bei den Museen gibt es kaum etwas, was darauf aufmerksam macht. Es bedarf einer Schwerpunktsetzung, die die Stärken und Besonderheiten von Pfullingen, die umfangreich gegeben sind, in den Vordergrund stellt. Konkret geht es darum, das Biosphärengebiet erlebbar zu machen und aus der landschaftlich reizvollen Lage und den Besonderheiten am Ort ein Erlebnis zu kreieren. In einem gemeinsamen Prozess muss das Potenzial dahingehend gehoben werden. Auch die kulturellen Highlights, die Pfullinger Hallen, die Innenstadt, der Schönbergturm und die Klosterkirche, um nur einige zu benennen, gehören mit dazu.
Frage 3: Pfullinger Unternehmer und Gewerbetreibende fühlen sich von der Stadt nicht ausreichend wahrgenommen. Wie würden Sie eine aktive Wirtschaftsförderung gestalten?
Fink: Wirtschaftsförderung ist gelebte Einstellung des Bürgermeisters und der Verwaltung. Es gilt, gute Anknüpfungspunkte (Bürgerbus, Pfulben-Stadtwährung, etc.) zu nutzen, um die Pfullinger Mehrwerte (Angebotspalette mit Beratungsservice, Prinzip der kurzen Wege, gute Erreichbarkeit mittels ÖPNV, zu Fuß, per Rad oder Pkw, etc.) konsequent hervorzuheben. Überarbeitung Parkraumbewirtschaftung mit Ausweisung von Behindertenparkplätzen. Stellenwiederbesetzung im Bereich Wirtschaftsförderung mit klaren Kompetenzen, Zielen und aktivem Zugehen auf die Betriebe (Beratung, Bestandspflege, Netzwerksarbeit, etc.). Schaffung einer Onlineplattform »Pfullinger für Pfullingen«, um die Gewerbetreibenden zu unterstützen.
Plankenhorn: Eine aktive Wirtschaftsförderung nimmt die Probleme ernst und sucht proaktiv nach Lösungen. Das ist klare Chefsache. Wir brauchen endlich Lösungen, die bei den Unternehmen ankommen. Niemandem ist mit zusätzlichen Hinweisschildern und seitenlangen Sonderflyern geholfen. Was die Unternehmer brauchen, sind Kunden. Die gewinnt man sicher nicht mit vergeblichen Marketingmaßnahmen. Ich möchte eine städtische Plattform, einen Lieferdienst für den lokalen Handel, der alle Angebote aus Pfullinger Geschäften bündelt. Dort können die Pfullinger gesammelt bestellen und bekommen ihre Waren per Radkurier o.ä. geliefert, egal aus welchem Geschäft. Das erschließt neue Märkte für die Händler und passt in die Zeit!
Bohnert: Wirtschaftsförderung und Verwaltungshandeln werden mit mir als Bürgermeister nicht mehr fragen, »ob« etwas vorankommt, sondern »wie« ein Ziel effektiv und pragmatisch erreicht wird. Als Jurist bin ich nicht nur »Verwaltungsfachmann-Plus«, sondern »Verwaltungsfachmann-Premium«. Ich wende Gesetze und Vorschriften nicht nur an, sondern beherrsche deren Auslegung. Als Akteur aus der freien Wirtschaft ist für mich lösungsorientiertes Handeln eine persönliche Maxime. Die Wirtschaftsförderung wird daher in Zukunft mit Sachverstand und Leidenschaft gelebt und vorangetrieben werden. Ich werde die Gründung des »WIP« – Wirtschafts- und Innovationszentrum Pfullingen – initiieren und forcieren.
Gottaut: Die Stadt braucht eine neutrale und professionelle Stabsstelle für die Wirtschaftsförderung als Anlaufstelle für Unternehmen und für den interaktiven Austausch. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass Vereine und private Initiativen nicht ausreichen.
Wörner: Gemeinderat, Bürgermeister und Verwaltung müssen zwingend optimale Rahmenbedingungen für die örtlichen Unternehmen schaffen. Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch der Stadt gut. Eine gute und dauernde Kommunikation ist hierbei ein wichtiger Schlüssel. Mit der neuen Wirtschaftsfördererstelle wird der Kontakt zu Unternehmen, Einzelhändlern und Gastronomen proaktiv gesucht, gehalten, vernetzt und verbunden. In einem darauf aufbauenden Schritt stelle ich mir die Gründung einer Gesellschaft mit den örtlichen Unternehmen, Händlern und Gastronomen vor, die Stadtmarketing professionell betreibt sowie Existenzgründungen und Start-ups fördert und unterstützt.
Frage 4: Natur und Landschaft sind kostbare Güter. Würden Sie als Bürgermeister darauf verzichten, weitere Flächen im Außenbereich für den Wohnungs- und Gewerbebau auszuweisen?
Fink: Das Motto »Innen- vor Außenentwicklung« muss konsequent fortgesetzt werden, um unsere einmalige Kulturlandschaft in und um Pfullingen auch für die kommenden Generationen zu erhalten; punktuelle, sensible Entwicklungen und Perspektiven im Außenbereich müssen möglich bleiben. Dabei muss gelten: Je mehr wir im Innenbereich sinnvoll gestalten können, desto weniger Flächen benötigen wir im Außenbereich. Auch beim Thema Stadtentwicklung ist es wichtig, dass die Pfullingerinnen und Pfullinger im Sinne einer gelebten, transparenten und verlässlichen Bürgerbeteiligung unter klaren Rahmenbedingungen stets frühzeitig in die Überlegungen miteinbezogen werden.
Plankenhorn: Wir müssen mit vorhandenen Flächen behutsam umgehen, um unsere heimische Natur nicht aufs Spiel zu setzen. Auch durch Innenentwicklung kann Wohnraum geschaffen werden. Wo immer möglich, sollten wir deshalb – anstatt auf Flächenverbrauch zu setzen – mit smarten Ideen und einer Neuordnung bestehender Quartiere den Wohnbestand erneuern und brachliegende Flächen intelligenter nutzen. Damit verbessern wir das Wohnangebot nachhaltig durch moderne Lösungsansätze. Ich bin aber überzeugt, dass Neubau in größerem Umfang der einzige Weg ist, um wachsenden Wohnbedarf zu decken und die Preise bezahlbar zu halten. Es kann nicht sein, dass sich die Menschen Wohnen in Pfullingen nicht mehr leisten können.
Bohnert: Jede Form des Flächenverbrauchs ist zu vermeiden. Stichwort: Flächenbedarf durch intelligentes Flächenmanagement. Die Verbindung von Gewerbeflächen und Wohnraumnutzung ist die Zukunft. Eigentümer brachliegender Gewerbeflächen sind gezielt anzusprechen. Ein aktives Flächentauschprogramm mit fairem Ausgleich wird auf den Weg gebracht. Eine moderne, aktive und unkonventionelle Wirtschaftsförderung kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Pfullingen muss Muster-Stadt für intelligentes Flächenmanagement werden. Hier liegt der Schlüssel für die zukünftige Befriedigung der Bedürfnisse von Handel- und Gewerbe und der Schaffung – gegebenenfalls auch un- und außergewöhnlichen – Wohnraums.
Gottaut: Gottlob bedeutet das Ausweisen nicht, dass eine Bebauung unmittelbar bevorsteht. Die Nutzung der Innenflächen ist vorrangig – unter anderem, weil es sich um bereits erschlossene Siedlungen handelt. Ich würde den Bürgern gerne die Grünflächen erhalten. Aber das bedeutet auch, dass manche Bürger ihre innerstädtischen Grundstücke zur Bebauung freigeben – geben und nehmen.
Wörner: Einmal bebaute Naturfläche ist kaum zu renaturieren. Deshalb gilt der Ansatz »Innen- vor Außenentwicklung«. Zusätzliche Wohnbauflächen im Außenbereich auszuweisen, kann nur sehr maßvoll und unter Berücksichtigung aller ökologischen Aspekte erfolgen, bspw. durch Flächenarrondierungen an den Stadträndern. Darüber hinaus muss die Stadt auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt selbst noch aktiver werden. Wir brauchen städtischen Wohnungsbau für bezahlbare Wohnungen und Konzeptvergaben beim
Verkauf städtischer Grundstücke, bei denen Idee und Qualität im Vordergrund stehen, nicht der Preis. Ferner werde ich die Vergabe von Erbbaurechten an Familien prüfen, um Grundstücksspekulationen zu verhindern.