GRABENSTETTEN. Es ist eine Welt in der Welt: Der Eingang zur Höhle wirkt wie ein Schlund in einer Wand aus Stein, im kilometerweiten Innern ist es stockdunkel, verwinkelt und nass, feindlich wirkt es und doch faszinierend. Ihre Neugier für diese Welt in der Falkensteiner Höhle auf der Schwäbischen Alb haben zwei Höhlengänger teuer bezahlt. Überrascht von den starken Regenfällen und Wassermassen mussten die beiden am Montag in einer stundenlangen Rettungsaktion aus der Höhle befreit werden. Unverletzt kletterten sie am Vormittag aus dem weit verzweigten Höhlensystem. »Sie sind wohlauf«, sagte Markus Metzger, der Rettungsdienstleiter beim DRK-Kreisverband Reutlingen.
Die beiden jungen Männer, einer von ihnen ein Guide, waren am Sonntagnachmittag in die Höhle in Baden-Württemberg eingestiegen. Nach dem Notruf, den ein lokaler Tourenanbieter nach eigenen Angaben ausgelöst hatte, drangen bereits wenige Stunden später zwei Rettungstaucher zu den eingeschlossenen Männern in die »Reutlinger Halle« vor und gaben Entwarnung. In dem Hohlraum etwa 650 Meter vom Eingang entfernt hatten die beiden Höhlengänger Schutz gesucht. Wegen der starken Strömung konnte die Rettung erst mit Tagesanbruch am Montag beginnen.
Dann die gute Nachricht: In einer mehrstündigen Aktion gelingt es Höhlentauchern, die von den Wassermassen teils versperrten Passagen zu durchtauchen. Sie weisen die festsitzenden Männer in einem Crashkurs ein vor dem Tauchgang zurück ans Tageslicht und bringen beide in Sicherheit.
Nach der erfolgreichen Rettung ist den Einsatzleitern die Anspannung nicht anzumerken. »Es kam zu keinen kritischen Situationen, weil beide Patienten wirklich fit waren auf dem Weg nach draußen«, sagt der Einsatzleiter der Höhlenrettung, Michael Hottinger. Allerdings kein leichter Weg: »Für geübte Taucher ist das jetzt bei der Wasserlage schon ein Problem. Für Ungeübte wird es fast unmöglich«, beschreibt er die Lage im Innern des nasskalten und weitläufigen Felsensystems.
Deshalb schütteln Höhlen-Experten und Retter auch den Kopf über die beiden Eingeschlossenen, noch ehe diese in Sicherheit sind. Leichtsinn sei Grund für die Notlage der beiden Männer gewesen, sagt Hottinger. Bei der Wetterlage und dem starken Regen hätten sie wissen müssen, dass die Senken in der Höhle volllaufen und so den Rückweg versperren könnten.
Jens Hornung von der Malteser Höhenrettung fehlt das Verständnis für den verantwortlichen Höhlenführer: »Da kommt man als Profi nicht drauf«, erklärt er. Als »Dummheit« bezeichnet der Bürgermeister von Grabenstetten, Roland Deh (parteilos), die Aktion. Etwa 15 000 bis 20 000 Euro werde der Einsatz auf der Schwäbischen Alb kosten, schätzt er. Unklar ist noch, ob die Versicherung der Geretteten dafür aufkommt.
Die Falkensteiner Höhle gilt als Magnet für alle, die den Nervenkitzel einmal nachempfinden wollen. Das hat Folgen: Dutzende Menschen klettern, schwimmen und tauchen an einem Wochenende durch Teile des Systems, der Stein wirkt abgegriffen und speckig, die Stalaktiten, die eiszapfenähnlich von der Decke hängen, brechen zum Teil ab. »Diese Höhle ist zu Tode getrampelt«, sagt Hottinger. »Es ist eine Opferhöhle, weil dadurch andere Höhlen geschützt werden können.«
Der Notfall in der Falkensteiner Höhle weckt Erinnerungen an das Höhlendrama mit einer Jungen-Fußballmannschaft in Thailand vor rund einem Jahr. Zwölf Jungen und ihr Trainer waren im Juni 2018 bei einem Ausflug in eine Höhle im Norden des Landes vom steigenden Wasserspiegel überrascht und eingeschlossen worden - die ganze Welt schien damals mitzufiebern. Erst nach 17 Tagen kamen die letzten Eingeschlossenen frei.
Vor fünf Jahren traf es den Höhlenforscher Johann Westhauser. Er wurde in der Riesending-Schachthöhle in den Berchtesgadener Alpen für gut 274 Stunden in 1000 Metern Tiefe eingeschlossen. Tagelang kämpften Helfer rund um die Uhr bis zur Erschöpfung, um den Schwerverletzten aus der tiefsten und längsten Höhle Deutschlands zu bergen. Der damals 52 Jahre alte Baden-Württemberger war bei einem Steinschlag in der Höhle am Kopf schwer verletzt worden. (dpa)