RÖMERSTEIN-BÖHRINGEN. Als Römersteins Bürgermeister Matthias Winter am Nikolausmontag zum Dienst ins Rathaus kam, leuchteten ihm auf der Treppen drei Kerzen entgegen. »Im Erstaufschlag hab ich gedacht, da zaubert mir jemand besinnliche Stimmung«, berichtet er im Gespräch mit dem GEA. Aber weit gefehlt: Es waren rote Grablichter mit schwarzen Schriftzügen: »Keine Impfpflicht«. Winter ist angesichts der extremen Corona-Infektionszahlen bei immer noch rund einem Drittel Ungeimpfter zum Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht geworden. Die Gemeindeverwaltung sieht er indes als falsche Adressatin der Glasbeschrifter an, wie er gestern schon auf seiner Facebook-Seite gepostet hat: »Die Gemeinde Römerstein entscheidet nicht über die Einführung der allgemeinen Impfpflicht.« Sondern der Bund könnte es tun.
Wer die Gläser vor dem Rathaus abgestellt hat, ist bisher nicht bekannt. Ein Fall für die Polizei sind sie nicht, sondern eine ungewöhnliche Form der Meinungsäußerung. Der Bürgermeister hat die unangenehme Gelegenheit genutzt, »um nochmals aus voller Überzeugung für eine Corona-Schutzimpfung zu werben«.
Die Grablichter sieht Winter als »relativ niederschwellige Form des Protests« an und möchte mit den Protestierenden gerne diskutieren, falls sich die Unbekannten denn bei ihm melden möchten. »Ich respektiere es bis zu einem bestimmten Grad, wenn jemand eine andere Meinung hat, aber hier fehlt mir zunehmend das Verständnis.« Wie fast überall gebe es auch in Römerstein Impfgegner – »aber eine Querdenkerszene machen wir hier nicht aus«. Vielmehr glaubt der Rathauschef, dass die Gläsersteller »Menschen sind, die man argumentativ erreichen kann.«
Winters leicht augenzwinkernd verfasster Facebook-Post bekam bis gestern Nachmittag innerhalb kurzer Zeit 30 Likes. »Kritik oder einen Shitstorm hat es nicht gegeben.« Was die anhaltende Diskussion ums Impfen angeht, hat das Noch-Gemeindeoberhaupt eine glasklare Meinung: »Wir haben mit Impstoff und Kapazitäten alle Voraussetzungen, um uns zu schützen, machen uns das Leben aber künstlich schwer und riskieren Menschenleben.« (GEA)