METZINGEN. Flammen schlugen meterhoch aus dem Dach, eine dichte Rauchsäule war über der Stadt zu sehen. Der Brand der historischen Weinstube »Zum Rad« in der Metzinger Altstadt sorgte am Sonntagnachmittag für große Aufregung in Metzingen. Gegen 15.20 Uhr gingen sowohl bei der Integrierten Rettungsleitstelle als auch bei der Polizei mehrere Notrufe ein, teilte die Reutlinger Polizei mit. Zeugen berichteten von einem brennenden Gebäude in der Pfleghofstraße, in unmittelbarer Nähe des Metzinger Marktplatzes. Als die Einsatzkräfte vor Ort ankamen, stand der linke Teil der Doppelhaushälfte in Brand. Das Feuer griff auch bereits auf den rechten Gebäudeteil über. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Brandes befanden mehere Menschen im Gebäude: acht Bewohner sowie mehrere Mitarbeiter und Gäste der im rechten Gebäudeteil befindlichen Gaststätte »Michio«. Alle konnten das brennende Haus unverletzt verlassen und wurden vor Ort durch den Rettungsdienst medizinisch betreut.
Aufgrund der dichten Bebauung wurde die Alarmstufe von 4 auf 5 erhöht, erklärt Andreas Merz, Einsatzleiter der Metzinger Feuerwehr. Zur Unterstützung habe man die Reutlinger Feuerwehr angefordert »Die Straße war stark verraucht, die Flammen schlugen massiv aus dem Dachbereich und ein Anbau stand bereits in Vollbrand«, beschreibt Merz die Situation beim Eintreffen der Einsatzkräfte. Man habe aus der Reutlinger Straße her einen Riegel aufgebaut, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. »Der Einsatz erforderte massiven Atemschutzeinsatz aufgrund der starken Rauchentwicklung. Dennoch konnten wir die Lage schnell unter Kontrolle bringen.«
Besondere Herausforderungen: Schaulustige und Gasleitungen
Eine besondere Herausforderung während der Löscharbeiten waren Schaulustige, die sich den Brand aus nächster Nähe anschauen wollten. Doch das war gefährlich, weil wegen der Hitze Fensterscheiben barsten und Gebäudeteile auf die Straße flogen. »Aber das konnten wir durch Ansprachen regeln«, sagt Merz. Zudem wurde eine Sperrzone eingerichtet. »Ein größeres Problem ist die Gasversorgung des Gebäudes, die aufgrund der Einsturzgefahr nicht direkt abgeschaltet werden kann«, soder Einsatzleiter. »Die Stadtwerke müssen die Straße aufgraben, um die Gasleitung zu trennen.«
Der Dachstuhl des Gebäudes brannte vollständig aus. Das Gebäude ist laut Polizei nicht mehr bewohnbar. Einsatzkräfte prüften am Abend weitere Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Gebäudestatik, um Beschädigungen der umliegenden Gebäude ausschließen zu können. Der Gebäude- und Inventarschaden dürfte sich ersten Schätzungen zu Folge auf einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag belaufen. Ein angrenzendes Haus wurde vorsorglich evakuiert, die Bewohner konnten im später jedoch wieder zurückkehren.
Aber was passiert mit den Bewohnern des des einsturzgefährdeten Hauses? »Glücklicherweise hat sich der Vermieter direkt darum gekümmert, dass die Bewohner in einem Hotel zwischenuntergebracht werden«, sagte Metzingens Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh. »Dann müssen wir in den nächsten Tagen sehen, welche Wohnung wir den Bewohnern zur Verfügung stellen können, zusammen mit dem Vermieter.« Metzingens Stadtoberhaupt findet es »erschreckend«, dass sie in diesem Jahr bereits bei zwei Großbränden vor Ort war. Erst im Juli war im Ortsteil Neuhausen mehrstöckiges Wohnhaus vollständig ausgebrannt. »Andererseits bin ich sehr dankbar, dass unsere Einsatzkräfte so professionell unterwegs sind. Bei beiden Bränden ist es gelungen, dass die Nachbargebäude erhalten bleiben konnten.«
Die Kriminalpolizei hat noch vor Ort die Ermittlungen zur bislang unbekannten Brandursache übernommen. Die Feuerwehr war mit insgesamt 123 Einsatzkräften vor Ort. Seitens des Rettungsdienstes waren insgesamt 38 Einsatzkräfte, darunter vorsorglich auch zwei Notärzte, eingesetzt. Zudem waren 13 Polizisten im Einsatz.
Historisches Gebäude aus dem 17. Jahrhundert
Das verputzte Fachwerkhaus an der Ecke Pfleghof- und Hindenburgstraße geht in seinen Ursprüngen laut Stadtarchivar Rolf Bildlingmaier auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück und hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1785 eröffnete der Pfarrerssohn Alexander Friedrich Luz in dem Haus zunächst eine Konditorei. Von 1828 an betrieb Metzger und Pferdehändler Philipp Adam in dem Haus das Wirtshaus »Zum goldenen Bären«. In den 1840er-Jahren betrieb der Sohn das Gasthaus, bevor er 1853 nach Amerika auswanderte. Im Jahr 1859 kaufte der Wirt Jakob Rath das Gebäude. 1886 übernahm laut Bidlingmaier die Familie Schwab die Gastwirtschaft Zum Rad, die sie in Verbindung mit einer Metzgerei bis nach dem Zweiten Weltkrieg führte. Lange Zeit stand sie danach leer, bis 1979 mit der Weinstube Zum Rad neues Leben hier einzog. Danach betrieb Andreas Tornow unter demselben Namen einige Jahre lang das Restaurant mit gutbürgerlicher und internationaler Küche. Seit dem 9. September 2021 bot das Lokal unter dem Namen »Michio« japanische Fusionsküche und Sushi. Jetzt ist das Gasthaus zerstört worden. (GEA)