KREIS TÜBINGEN. Im Kreis Tübingen sind aktuell 70,6 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft, 46,5 Prozent haben bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten. Damit belegt der Kreis bei der Quote der doppelt Geimpften landesweit den Platz fünf, bei Auffrischungsimpfungen Rang neun. Die Impfquote des Landes für doppelt Geimpfte liegt bei 67,5, für Auffrischungsimpfungen bei 39,9 Prozent. Auch bei der Durchimpfung der Pflegeeinrichtungen sind die Zahlen im Kreis Tübingen erfreulich: 93 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner sind doppelt geimpft, 81,2 Prozent haben bereits ihre Auffrischungsimpfung erhalten.
Dr. Lisa Federle, DRK-Präsidentin und Pandemiebeauftragte im Kreis Tübingen, ist besonders erfreut über die gute Impfquote bei den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Pflegeeinrichtungen im Kreis: »Der Schutz der vulnerablen Gruppen war mir von Anfang an ein wichtiges Anliegen«, so Federle. Sie mahnt jedoch in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen dringend eine »Neubewertung der Situation« an. »Die bislang vorliegenden Daten zu Krankheitsverläufen, zu Ansteckungsquoten auch bei geimpften Personen und Personen mit einer Auffrischungsimpfung und von Impfnebenwirkungen müssen dringend zusammengeführt werden, damit wir aus der Pandemie kommen.« Die Sinnhaftigkeit einer generellen Impfpflicht müsse genau betrachtet und könne nicht übers Knie gebrochen werden, bevor diese Analysen nicht stattgefunden hätten, so Federle.
Mit Bedacht und Augenmaß
Landrat Joachim Walter hält eine generelle Impfpflicht nicht nur aufgrund einer »notwendigen Neubewertung der pandemischen Situation aus verfassungsrechtlicher Sicht« für nicht umsetzbar. Bei Grundrechtseingriffen müsse laut Bundesverfassungsgericht der sogenannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. Daran bestünden bei der aktuellen Entwicklung des Virus mehr als nur erhebliche Bedenken. Auch Virologen hätten nun die Hoffnung, dass es sich bei Omikron um eine Immunflucht-Variante handelt, womit es die Chance gäbe, in absehbarer Zeit in die sogenannte endemische Phase zu kommen. Es spreche vieles dafür, die Diskussion um eine mögliche Impfpflicht mit Bedacht und Augenmaß zu führen.
»Vor dem Hintergrund der tiefen Spaltung der Gesellschaft müssen wir alles tun, die Gräben wieder zuzuschütten.« Wer sich nicht für eine Impfung entscheiden könne oder möchte, habe oftmals nachvollziehbare Gründe für seine Ansicht. »Politisch Verantwortliche sind in der Pflicht, nicht noch größere Keile zwischen die Menschen zu treiben«, so Walter. Mit Ausgrenzung und Androhung von Bußgeldern und Beugehaft werde dies aber nicht gelingen. Im Übrigen rate er »allen Anhängern des wilhelminischen Polizei- und Obrigkeitsstaates zu einer Schweigemeditation«.
Rosemann widerspricht
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann äußert sich kritisch zu den Überlegungen von Walter und Federle. »Natürlich gibt es Hoffnung, in den kommenden Monaten in eine sogenannte endemische Phase zu kommen. Das setzt aber voraus, dass die Impfquote ausreichend hoch ist und wir die Impflücke bis dahin schließen können. Wer von diesem Ziel jetzt abrückt, schafft keine Hoffnung, sondern neue Verunsicherung«, so Rosemann. Die Frage nach allgemeiner Impflicht werde »am Ende davon abhängen, ob es noch auf freiwilliger Basis gelingt, die Impflücke zu schließen. Daran bemisst sich auch die Frage, ob eine allgemeine Impflicht erforderlich und verhältnismäßig ist. Vom Schließen der Impflücke sind wir noch sehr weit entfernt – auch im Kreis Tübingen.« Die Impfquote in Tübingen sei zwar aufs Land bezogen ordentlich, bundesweit jedoch nicht. (eg)