TÜBINGEN. Enorme Polizeipräsenz kündigte am Samstagnachmittag in der Tübinger Altstadt schon weit im Voraus an, was kommen sollte. Unter dem Titel »Folgen der Corona-Politik für Familien, Kinder und Senioren« hatte eine Privatperson eine Versammlung auf dem Marktplatz angemeldet, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Stadt-Pressesprecherin Claudia Salden hatte auf GEA-Anfrage im Voraus berichtet, dass sich die Anmelderin der Veranstaltung »von der Querdenker-Szene distanziert« und versichert habe, dass man sich an die Abstands- und Maskenpflicht halten werde. Damit gebe es - trotz der Vorkommnisse in Stuttgart in der Woche zuvor - wenig Handhabe, die Demo zu verbieten. »Versammlungen unterliegen nicht der Genehmigungspflicht.« In Tübinger und Reutlinger Telegram-Querdenken-Gruppen wurde im Voraus für eine Teilnahme an der Veranstaltung geworben.
Mehrere linke Gruppierungen hatten im Voraus ebenfalls besonders via Social Media zu einer Gegendemonstration mobilisiert, darunter ROSA und die Zelle aus Reutlingen, sowie das Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus Tübingen und Region (OTFR). Als Treffpunkt der Gegendemonstranten war das Haagtor bekannt, deshalb sperrte die Polizei schon im Voraus der Demo die Haaggasse ab und kontrollierte, wer sich in Richtung Marktplatz bewegte.
Den Marktplatz hatten die Polizisten mit Absperrgittern in mehrere Zonen unterteilt. Der innerste Kreis war für die Teilnehmer der Hauptdemonstration bestimmt, drumherum hatten sich ebenfalls Kritiker der Corona-Maßnahmen und auch Schaulustige versammelt. Richtung Crepes-Stand/Hirschgasse war eine weitere, starkt von Polizisten bewachte Absperrung. Hinter dieser sollten sich die linken Gegendemonstranten versammeln. Ein Einsatzziel sei die »Trennung der verschieden (gegnerischen) Versammlungen« hatte es von Seiten der Reutlinger Polizei-Pressestelle im Voraus geheißen. Dieser Plan ging zunächst nur halb auf: Einige, teilweise sehr jung wirkende linke Gegendemonstranten schafften es, sich trotzdem direkt an der Hauptdemo zu platzieren.
Dort standen sie ein paar Minuten und versuchten die Hauptdemo mit Lärm und Parolen zu stören. Dann erteilten ihnen die Polizisten einen Platzverweis, um den weiteren störungsfreien Ablauf der Hauptdemo nicht zu gefährden, wie es hieß. Man habe die linken Demonstranten drei Mal aufgefordert, diesem Platzverweis nachzukommen und ebenfalls hinter die Absperrung in Richtung Hirschgasse zu gehen. Als diese Aufforderungen missachtet wurde, drängten Bereitschaftspolizisten die Gegendemonstranten recht rabiat ab, beklatscht von der einen Seite, ausgebuht von der anderen Seite. »Dass man so rabiat gegen uns vorgeht, das ist eine neue Qualität«, bilanziert der Pressesprecher des OTFR, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er rechnet die Teilnehmer der Hauptdemo sehr wohl der Querdenker-Szene zu: »Die Schilder, die sie hochhalten, sind dieselben wie beispielsweise auch beim Lichterspaziergang in Reutlingen.«
Währendessen lief die Hauptdemo weiter, es gab Reden, ein Demonstrant hatte auch eine Trommel mitgebracht. An die Abstandsregel hielten sich an diesem Tag weder die Teilnehmer der Hauptdemo noch die meisten linken Gegendemonstranten. Die Teilnehmer der Hauptdemo schienen es zudem auch mit der Maskenpflicht nicht so ernst zu nehmen. Manche trugen sie zwar ordnungsgemäß, andere dagegen hatten sie ganz abgelegt, es gab mehrfach Diskussionen mit Polizisten über Masken-Atteste. Man habe mit der Anmelderin der Veranstaltung gesprochen, diese versuche die Masken-Muffel nochmal anzusprechen und das Tragen der Maske durchzusetzen, so Revierleiter Dieringer. Die nächste Maßnahme sei dann ein Platzverweis für einzelne Verweigerer. Ein solcher wurde aber nicht erteilt, so die Polizeiauskunft nach Ende der Versammlung.
Rund eine Stunde nach Beginn der Hauptdemo verließen die Gegendemonstranten schließlich ihren Platz und zogen - Parolen skandierend - durch die Hafengasse in Richtung Lustnauer Tor davon, begleitet von einigen Bereitschaftspolizisten. An der Hauptdemo hatten nach Angaben von Revierleiter Dieringer 150 bis 200 Menschen teilgenommen, nochmal rund 150 Schaulustige und Maßnahmen-Kritiker hatten sich um die Absperrung herum versammelt, rund 70 Menschen nahmen an der Gegendemonstration teil. 140 Polizisten waren im Einsatz, sowohl Bundespolizei als auch lokale Kräfte. Zudem warteten Polizeireiter im Hintergrund, für den Fall einer Eskalation der Demo, auch Polizeihunde waren im Einsatz. (GEA)