TÜBINGEN. Die Tübinger Notärztin Dr. Lisa Federle ist nicht dafür bekannt, eine schrille Corona-Alarmistin zu sein. Doch in einem Interview mit dem Nachrichtensender ntv findet sie am Donnerstag drastische Worte zur aktuellen Pandemie-Lage: »Die Situation ist ziemlich dramatisch und wenn wir nicht einschreiten, dann werden wir auf eine Triage zulaufen. Das heißt, die Intensivstationen füllen sich und wenn sie zu voll sind, dann musst du irgendwann triagieren.« Bedeutet: Patienten werden nach der Schwere ihrer Erkrankung eingeteilt. Diejenigen mit der größten Überlebenschance, werden behandelt. Nachdem es im italienischen Bergamo im Frühjahr 2020 zu Triage von Corona-Patienten gekommen war, hängt das Wort wie ein Damoklesschwert über der Corona-Lage in Deutschland.
»Triage wollen wir nicht, machen wir nicht«
Helene Häberle, leitende Oberärztin der Corona-Intensivstation am Uniklinikum Tübingen, warnt dagegen diesbezüglich vor voreiligem Alarmismus: »Triage wollen wir nicht, machen wir nicht.« Die Belastung für die Pflegekräfte in Tübingen sei aktuell zwar hoch, »und wenn wir noch mehr aufnehmen müssen, dann klappt der Zwei-zu-eins-Schlüssel irgendwann nicht mehr«. Im Normalfall werden zwei Intensivpatienten von einer Pflegekraft betreut. Müssen Pflegende bei steigenden Hospitalisierungszahlen mehr Menschen betreuen, gehe das zu Lasten der Gesundheit der Pflegekräfte, sagt Häberle.
Doch von Triage ist man in Tübingen weit entfernt. »Wir fliegen niemanden aus.« Man nehme aber auch keine Patienten aus anderen Ländern oder aus Norddeutschland auf. Aktuell liegen acht Covid-Patienten auf der Tübinger Intensivstation, alle sind ungeimpft. Oberärztin Häberle verweist auf die erste Corona-Welle, in der die Tübinger Uniklinik so viele Covid-Intensivpatienten wie keine andere Klinik in Deutschland behandelt habe: 37 Menschen, dazu noch 17 Intensiv-Patienten mit anderen Krankheiten. »Das haben wir auch geschafft ohne Triage.« (GEA)