MÖSSINGEN. Er hat Mössingens Entwicklung zur Kleinstadt vor fünfzig Jahren geprägt: Erwin Kölle, Bürgermeister von 1962 bis 1982. Gestorben war er 2005 im Alter von 84 Jahren. Ohne ihn hätte es das langsam zur Neige gehende Jubiläumsjahr nicht gegeben. Es war also nur folgerichtig, ihn im Rahmen der 50-Jahr-Feier nochmal in den Fokus zu rücken. »Denn Kölle war nicht nur ein guter und engagierter Lokalpolitiker, sondern auch ein begnadeter Karikaturist und Hobby-Maler«, so Mössingens Oberbürgermeister Michael Bulander über seinen Vorvorvorgänger. Zu Ehren des zweiten Nachkriegs-Schultes ist deshalb jetzt eine »kleine, aber feine« Ausstellung mit ausgesuchten Werken von ihm eröffnet worden.
Von Sonntag, 10. November an – und dann immer sonntags und mittwochs zwischen 14 und 18 Uhr – gibt es im Panorama-Raum der Pausa-Tonnenhalle eine Werkschau seiner mit spitzer Feder gezeichneten Bilder. »Es gibt kaum eine lokale Begebenheit, die er nicht aufgegriffen, verspottet und mit einer guten Portion Selbstironie zu Papier gebracht hat«, so Bulander. »Ich finde es erstaunlich, woher er neben seinem aufreibenden Beruf die Zeit genommen hat.«
Sechzehn Zeichnungen hat die Mössinger Museumsleiterin und Ausstellungsmacherin Franziska Blum aus dem Nachlass der Familie ausgesucht. Erwin Kölles Sohn Peter, ehemaliger Stadtrat, und Tochter Sabine Parusel waren mit ihren Partnern zur Eröffnung gekommen. Die Ausstellung war bereits 2020 zu seinem 100. Geburtstag geplant, musste aber pandemiebedingt verschoben werden. Blum sieht sie optimal ergänzend "als kleine Erweiterung der Jubiläumsausstellung "1250 Jahre Mössingen … und mehr".
Hängend und unter Glasplatten, versehen mit kurzen, knackigen Texten, spiegeln sie die Ereignisse der Kommunalpolitik zu Lebzeiten Kölles wider. Der Stil des in Münsingen geborenen, in Willmandingen aufgewachsenen und im Metzinger Rathaus Erfahrung sammelnden Verwaltungsfachmannes scheint beeinflusst von Manfred Schmidt. Die Bilder ähneln dessen berühmten Nick Knatterton-Bildgeschichten der 1960er Jahre. »Anderseits hat Kölle ein Faible für Wimmelbilder, die an die Werke von Peter Lenk erinnern, der in Reliefs ebenfalls viele Personen und Ereignisse persifliert«, so Blum.
Man sollte deshalb in Mössinger Zeitgeschichte bewandert sein, um die gezeichneten ehemaligen Gemeinderäte und längst verstorbenen Politiker wie Innenminister Karl Schiess zuordnen zu können. Auch seine Sticheleien bedürfen eines gewissen Hintergrundwissens. Seine »Wünsche für das Jahr 1971« muten wie aus einer längst vergessenen Zeit an: Schulbau, Hallenbad, Wasserversorgung. Sie wecken aber auch Erinnerungen an verdrängte »Aufreger«, wie den Protest gegen den Bau von Tennisplätzen 1985, die umstrittene Nutzung des alten Rathauses 1996 oder den Skandal im Bürgermeisterwahlkampf zwischen Manfred Schmiderer und Werner Fifka im Jahr 1998. (GEA)