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Nach tödlichem Feuer in Reutlingen: Ermittlungen wegen Mordes und Mordversuches

Erst Schock und Trauer, dann Entsetzen: Hat eine Mitbewohnerin den verheerenden Brand in einem Reutlinger Pflegeheim für psychisch Kranke gelegt? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Experten der Spurensicherung am Pflegeheim in der Reutlinger Oberlinstraße.
Die Experten der Spurensicherung am Pflegeheim in der Reutlinger Oberlinstraße. Foto: Frank Pieth
Die Experten der Spurensicherung am Pflegeheim in der Reutlinger Oberlinstraße.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Nach der Brandkatastrophe in einem Pflegeheim für psychisch kranke Menschen, bei der in Reutlingen drei Bewohner starben und zwölf Menschen verletzt wurden, ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft gegen eine 57 Jahre alte Bewohnerin wegen des Verdachts des dreifachen Mordes und elffachen Mordversuchs. In einer gemeinsamen Mitteilung heißt es weiter: "Den derzeitigen Ermittlungen zufolge war der Brand am Dienstagabend, gegen 19.40 Uhr, im Zimmer der Frau in einer der Wohngruppen im Obergeschoss des Gebäudes ausgebrochen. In der Folge ergab sich der dringende Verdacht, dass die 57-Jährige das Feuer gelegt haben könnte. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen und Untersuchungen durch die Experten der Spurensicherung, in die auch ein Sachverständige des Landeskriminalamts Baden-Württemberg einbezogen sind, dauern noch an. Ebenso ist auch ein mögliches Tatmotiv der an einer psychischen Erkrankung leidenden Frau noch Gegenstand der Ermittlungen. 

Die 57-Jährige, die bei dem Feuer selbst schwer verletzt wurde, ist derzeit noch nicht ansprechbar und wird in einer Spezialklinik behandelt. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob auch unter Beachtung des gesundheitlichen Zustands der Beschuldigten, die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorliegen. 

Bei dem Brand verloren eine 53-jährige Frau und zwei 73 und 88 Jahre alte Männer ihr Leben. Nach derzeitigem Stand ist als Todesursache von einer Rauchgasintoxikation auszugehen. Elf weitere Bewohner hatten leichte Verletzungen davongetragen. Die anderen der insgesamt 37 Bewohner der Einrichtung und fünf anwesende Pflegekräfte waren unverletzt geblieben. In die vom Brand nicht betroffenen Wohnbereiche konnten die Bewohner teilweise wieder zurückkehren."

Brandermittler der Polizei waren zuvor zum Brandort fahren, um weiter nach Hinweisen zu suchen, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Eine erste Lagebesprechung war danach für den Vormittag angesetzt. Der Brand war am Dienstagabend in einem Wohnbereich im ersten Obergeschoss ausgebrochen. 

Kein Verletzter mehr in Lebensgefahr

In Lebensgefahr schwebt niemand mehr. Vor Ort habe sich die Lage noch dramatischer dargestellt, aber im Krankenhaus habe es dann vorsichtige Entwarnung gegeben, sagte ein Polizeisprecher am frühen Mittwochmorgen. Zwei der Verletzten hatten sich nach früheren Angaben eines leitenden Notarztes vom späten Dienstagabend während der Rettung in Lebensgefahr befunden. Eine 57 Jahre alte Frau wurde schwer verletzt, elf Menschen erlitten leichte Verletzungen. Die Schadenshöhe dürfte laut ersten Schätzungen im sechsstelligen Bereich liegen. Die leicht verletzten Personen wurden nach Untersuchung und Behandlung in eine psychiatrische Fachklinik überstellt und dort weiter betreut. Der vom Brand betroffene Teil des Gebäudes ist nicht mehr bewohnbar. 

In der sozialpsychiatrischen Pflegeeinrichtung der Bruderhaus-Diakonie in der Oberlinstraße leben Menschen mit psychischen Erkrankungen und gleichzeitigem pflegerischen Bedarf. Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs befanden sich nach Polizeiangaben 37 Bewohner und fünf Pflegekräfte in dem Gebäude. Um 19.43 Uhr am Dienstagabend ging der Alarm über die automatische Brandmeldeanlage bei der integrierten Leitstelle der Feuerwehr und des Rettungsdienstes ein. Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei rückten mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften zu dem Pflegeheim aus, wo der mit starker Rauchentwicklung einhergehende Brand im Obergeschoss festgestellt und gelöscht wurde.

OB Thomas Keck: »Schwarze Nacht für Reutlingen« 

»Es ist eine Katastrophe«, sagte Einrichtungsleiter Professor Gerhard Längle Er sei dankbar, dass die Rettungskräfte alles getan haben, um noch Schlimmeres zu verhindern. Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck zeigte sich vor Ort sehr betroffen vom Ausmaß des Unglücks:  »Das ist ein schwarzer Abend für Reutlingen. Es ist furchtbar, aber es ist geschehen. Unsere Gedanken sind bei den Verstorbenen und ihren Angehörigen und den Schwerverletzten.«

Auch Landrat Ulrich Fiedler war in der Nacht am Unglücksort. »Den Familien und Angehörigen, die einen lieben Menschen verloren haben, gilt mein tiefes Mitgefühl. Wir sind in Gedanken bei ihnen und den Verletzten. Den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeitenden der Wohngruppen wünsche ich viel Kraft, um die traumatischen Ereignisse der vergangenen Nacht zu verarbeiten«, wird er auf der Instagram-Seite des Landkreises zitiert. »Ein großes Dankeschön den Einsatzkräften und all jenen, die sich um die Betroffenen dieses Unglücks kümmern.«

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hat zusammen mit den Mitarbeitenden der Bruderhaus Diakonie am Mittwochmittag eine Trauerandacht gehalten. Er hat allen Betroffenen sowie den Angehörigen sein Mitgefühl und sein Beileid ausgedrückt: »Es ist schrecklich, was gestern Abend in einer Pflegeeinrichtung der Bruderhaus Diakonie in Reutlingen passiert ist. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen, den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtung, dem Pflegepersonal, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst.«

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha legt Blumen am Ort des Unglücks nieder. Bei dem Feuer starben drei Menschen u
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha legt Blumen am Ort des Unglücks nieder. Bei dem Feuer starben drei Menschen und zwölf wurden verletzt. Foto: Frank Pieth
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha legt Blumen am Ort des Unglücks nieder. Bei dem Feuer starben drei Menschen und zwölf wurden verletzt.
Foto: Frank Pieth

Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) besuchte den Unglücksort und legte unter anderem Blumen nieder. (GEA/pol/pm/dpa)