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Zu wenig Schutz für Hinweisgeber: Deutschland wird verklagt

Tut die Bundesrepublik genug, um Menschen, die Verstöße gegen EU-Recht melden, ausreichend zu schützen? Nein, sagt die EU-Kommission und entschließt sich zum Gang vor den Europäischen Gerichtshof.

Rasmus Andresen
Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) kritisiert den Verweis an den Europäischen Gerichtshof als den »jüngsten Akt eines wahren Trauerspiels«. Foto: Philipp von Ditfurth
Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) kritisiert den Verweis an den Europäischen Gerichtshof als den »jüngsten Akt eines wahren Trauerspiels«.
Foto: Philipp von Ditfurth

Die EU-Kommission verklagt Deutschland wegen unzureichendes Schutzes von Hinweisgebern vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Bundesrepublik wird vorgeworfen, Regeln zum Schutz von Menschen, die Verstöße gegen EU-Recht melden, nicht vollständig umgesetzt zu haben, wie die Kommission am Mittwoch mitteilte. Der EuGH kann Deutschland im Fall einer Niederlage zu einer Geldstrafe verurteilen. Neben Deutschland werden auch sieben weitere EU-Staaten verklagt.

EU-Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten eigentlich, Hinweisgebern geeignete Kanäle zur Verfügung zu stellen, über die sie vertraulich Verstöße gegen EU-Vorschriften melden können. »Damit soll ein zuverlässiger Schutz vor Repressalien etabliert werden«, heißt es vonseiten der Kommission. Beim sogenannten Whistleblowing geht es um das Aufdecken und Weitergeben von Missständen oder kriminellen Machenschaften durch Insider, die meist als Mitarbeiter einen privilegierten Zugang zu Informationen haben.

Angesichts mehrerer Skandale wie dem Facebook-Datenleck oder den sogenannten Panama Papers, die erst durch Whistleblower öffentlich geworden waren, hatte sich die EU 2019 auf neue Regeln geeinigt. Die Vorgaben decken unter anderem Verstöße gegen EU-Recht im Bereich der Geldwäsche, der Unternehmensbesteuerung, beim Datenschutz, bei der Lebensmittel- und Produktsicherheit, beim Umweltschutz und der nuklearen Sicherheit ab. Konkret ist etwa vorgesehen, dass Whistleblower den Weg, wie sie die Verstöße melden, frei wählen können. Sie werden nicht verpflichtet, sich als Erstes an eine Stelle in ihrem eigenen Unternehmen zu wenden.

Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) kritisierte den Verweis an den Europäischen Gerichtshof als den »jüngsten Akt eines wahren Trauerspiels«. »In Deutschland könnte es schon seit Jahren einen ausreichenden Whistleblower-Schutz geben«, sagte er. Der Bundesrat hatte das sogenannte Whistleblower-Gesetz am Freitag gestoppt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärte, das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern gehe in seiner vorliegenden Fassung weit über die EU-Vorgaben hinaus.

© dpa-infocom, dpa:230215-99-604804/3