Die Niederlande steuern auf ein rechtes Regierungsbündnis zu. Knapp vier Monate nach der Parlamentswahl sind der radikal-rechte Wahlsieger Geert Wilders und drei weitere rechte Parteien bereit, darüber zu verhandeln. Schon das kommt nach langen mühsamen Gesprächen und offenem Streit einem Durchbruch gleich - auch wenn noch viele Fragen offen sind.
Der vom Parlament beauftragte Sondierer, der Sozialdemokrat Kim Putters, hatte in den vergangenen Wochen erreicht, dass sich die vier auf ein Minimum an Zusammenarbeit verständigen konnten: Ein loses Regierungsbündnis auf der Grundlage eines knappen Programms. Putters legte am Donnerstag in Den Haag seinen Bericht vor. Wer Regierungschef werden soll, ist aber völlig offen.
Angestrebte Regierung wäre Neuland
Die Bildung einer gewöhnlichen Mehrheits- und einer Minderheitsregierung mit den vier Parteien sei nicht realistisch, sagte der Sondierer. Möglich ist nach seinen Worten nur ein sogenanntes Programm-Kabinett, dem auch parteilose Experten angehören sollen. Er selbst hat dieses Wort bedacht, denn so eine Regierung hat es in den Niederlanden noch nie gegeben.
Wie genau dieses Kabinett aussehen soll, ist daher unklar. Auch politische Beobachter rätseln. Bisher wurde nur deutlich: Die Parteien wollen sich auf ein knappes Regierungsprogramm einigen.
Das Wahlergebnis vom November zeigt, wie gespalten die Niederlande sind. Zwar hatte Wilders mit seiner extrem-rechten Anti-Islam-Partei im November überraschend deutlich gewonnen. Er erzielte 37 der 150 Mandate im Parlament. Doch er braucht mindestens zwei andere Parteien für eine Mehrheit, und kaum einer will mit ihm zusammen regieren.
BauerBürgerBewegung BBB würde Wilders unterstützen
Sowohl die rechtsliberale VVD des scheidenden Premiers Mark Rutte als auch die neue Mitte-Rechts-Partei NSC hatten es abgelehnt, unter einem Regierungschef Wilders in eine Regierung einzuziehen. Nur die kleine rechtspopulistische BauerBürgerBewegung BBB als vierter Partner wäre dazu bereit, doch sie ist viel zu klein. Und eine Minderheitsregierung zu führen, wäre für Wilders ein viel zu großes Risiko. Er hat schließlich keinerlei Erfahrung und verfügt über keine Ministerkandidaten.
Wilders hatte am Mittwochabend angekündigt, auf das Amt des Regierungschefs zu verzichten, um den Weg für eine radikal-rechte Regierung freizumachen. Wilders verwies auf die mangelnde Unterstützung möglicher Koalitionspartner. Am Donnerstag zeigte er sich verärgert: Dass er als Wahlsieger nicht Regierungschef können würde, sei »unfair und staatsrechtlich nicht korrekt«, sagte der Chef der antimuslimischen Partei für die Freiheit Reportern. Er warf zwei seiner möglichen künftigen Partner auch eine Blockade vor. Normalerweise wird in den Niederlanden der Wahlsieger auch Regierungschef, aber vorgeschrieben ist das nicht.
Show für Wilders Wähler
Wilders Ärger ist aber auch Show für seine Wähler. Denn ein so großes Opfer ist der Verzicht auf das Amt für ihn nicht. Denn nun kann der 60-Jährige mit dem platinblond gefärbten Haarschopf das tun, was er seit etwa 20 Jahren tut: aus dem Parlament heraus die Regierung kritisieren. Und er kann seine Fraktion kontrollieren. Denn Wilders ist seine Partei, er ist einziges Mitglied. Und seine große Angst ist, dass die 37-köpfige Fraktion auseinanderfällt, zumal die meisten Abgeordneten völlig unerfahren sind.
Um die rechte Regierung möglich zu machen, hat Wilders dennoch einige Zugeständnisse gemacht. So zog er etwa Gesetzesvorhaben für ein Verbot von Moscheen und des Koran und für die Aberkennung von Bürgerrechten von Menschen mit einer doppelten Staatsangehörigkeit zurück. Auch zeigt er sich bereit, weiteren Militärhilfen für die Ukraine zuzustimmen. Und doch war die erste Runde der Gespräche der vier Parteien im Januar geplatzt. Daraufhin hatte das Parlament Putters damit beauftragt, Möglichkeiten einer Koalition auszuloten.
Schlagabtausch zwischen den rechten Parteien
Ob es am Ende zum Experiment »Programm-Kabinett« wie von Putters vorgeschlagen kommt, ist nicht ausgemacht. Denn die Chemie zwischen den Parteien ist alles andere als gut. In den vergangenen Wochen lieferten sie sich oft genug auf vor allem in Medien einen Schlagabtausch von Vorwürfen und Kritik.
Wie geht es nun weiter? In der nächsten Woche soll das Parlament über den Bericht debattieren und dann einen neuen Gesprächsleiter ernennen. Dann müssen sich die vier Parteien auf die Grundzüge eines Regierungsprogramms einigen. Bei der Migrations- und Asylpolitik wird das vermutlich simpel sein. Alle wollen eine deutliche Verschärfung. Problematisch aber wird es beim Finanzrahmen, dem Klimaschutz und der Außenpolitik. Und dann müssen in- und außerhalb der Politik geeignete Menschen gefunden werden, die das Programm umsetzen können und auch wollen. Und dann bleibt immer noch die große Frage nach dem Regierungschef.
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