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Vor Kabinettsklausur zeichnen sich keine Einigungen ab

Es geht um Geld und Prioritäten: Seit Wochen gibt es Streit in der Ampel-Koalition. Kanzler Scholz und sein Kabinett ziehen sich von Sonntag an zu Beratungen hinter verschlossenen Türen zurück.

Schloss Meseberg
Die Ampel-Koalitionäre treffen sich zur Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. An Streitthemen mangelt es nicht. Foto: Kay Nietfeld
Die Ampel-Koalitionäre treffen sich zur Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. An Streitthemen mangelt es nicht.
Foto: Kay Nietfeld

Bei den Streitthemen der Ampel-Koalition zeichnet sich bei der an diesem Sonntag beginnenden zweitägigen Kabinettsklausur bislang kein Durchbruch ab. Grüne und SPD pochten vor den Beratungen auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung nördlich von Berlin, auf die Dringlichkeit des Projekts der Kindergrundsicherung. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, deren Einführung werde kostspielig, aber nicht so teuer, wie von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) erwartet.

Als Hintergrund für die Streitigkeiten in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gelten auch die laufenden Haushaltsberatungen für das kommende Jahr. Lindner will trotz gestiegener Zinsen die Schuldenbremse wieder einhalten. Steuererhöhungen schließt er aus. Stattdessen will er bei den in der Koalition vereinbarten Projekten klare Prioritäten setzen. Der Finanzminister will die Eckpunkte für den Haushalt 2023 am 15. März vorlegen.

Offiziell stehen bei der Klausur unter anderem die Energiewende und die Datenpolitik auf der Tagesordnung. Am Sonntag soll es zunächst um die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwende nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gehen. Zum Thema »Wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas in der Zeitenwende« ist hinter verschlossenen Türen eine Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant.

Hinter den Kulissen dürften in Meseberg neben der Auseinandersetzung um die Kindergrundsicherung auch die öffentlich ausgetragenen Streitereien über die Zukunft von Öl- und Gasheizungen, den Autobahnbau und die Migrationspolitik eine Rolle spielen.

Kindergrundsicherung - Grüne und SPD kontra FDP

Lindner sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, in der Ampel-Koalition sei es unstrittig, dass es ein einfaches, digitales Verfahren geben solle, damit Familien das erhielten, was ihnen zustehe. »Ich rechne damit, dass hierfür zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt in einstelliger Milliardenhöhe benötigt werden.« Paus geht mit dem von ihr vorgelegten Konzept von Kosten in Höhe von zwölf Milliarden Euro aus.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch nannte es gut, dass Lindner nun einen Milliardenbetrag zur Finanzierung der Kindergrundsicherung in Aussicht stelle. »Um Kinder aus der Armut zu holen, müssen wir das Existenzminimum für Kinder, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Arbeitsanreize für Familien und die nötige Finanzierung zu einem Gesamtkonzept zusammenbringen«, sagte Audretsch in Berlin. Zentral sei nun, dass der Finanzminister die nötigen Mittel auch in den Haushalts-Eckwerten abbilde.

Grüne und SPD pochten auf die Dringlichkeit der Kindergrundsicherung. Familienministerin Paus sagte der »Welt am Sonntag«: »Sie ist das wichtigste sozialpolitische Vorhaben dieser Regierung.« Sie sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben, »daran wird sich die Koalition messen lassen müssen«. SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem Blatt: »Wir werden in den Haushaltsverhandlungen dafür einstehen, dass die sozialpolitischen Vorhaben des Koalitionsvertrags mit der notwendigen Dringlichkeit angegangen werden.«

Der Deutsche Kinderschutzbund mahnte vor der Klausur zur Eile. »Der Kindergrundsicherung läuft die Zeit davon, wenn sie noch in dieser Legislatur kommen soll«, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten«. Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 verschiedene Leistungen bündeln: vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit. Viele Familien beantragen Leistungen bislang nicht - wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden.

Streit um Aus für den Verbrennungsmotor

Der Streit zwischen FDP und Grünen über das in der EU geplante Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 könnte auch beim Besuch von der Leyens in Meseberg eine Rolle spielen. Auf Drängen Deutschlands war eine entsprechende EU-Entscheidung am Freitag auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Die FDP will, dass auch »klimaneutrale« synthetische Kraftstoffe nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können.

Die Grüne Jugend kritisierte die Koalitionspartner vor der Klausur scharf. Er habe kein Verständnis für manches Agieren von FDP und SPD, sagte der Chef der Grünen-Nachwuchsorganisation, Timon Dzienus, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Egal ob es um das Verbrenner-Aus, Klimaschutz im Verkehrsbereich oder die Kindergrundsicherung geht, die FDP betreibt gerade an allen Ecken und Enden eine rückwärtsgewandte Blockadepolitik.« Die SPD weigere sich, beim Thema Klimaschutz Position zu beziehen. »Vom selbst ernannten Klimakanzler hat man in der bisherigen Regierungszeit leider nichts gesehen. Olaf Scholz muss sich in der Ampel endlich für den Klimaschutz positionieren«, forderte Dzienus.

CDU-Vize Andreas Jung appellierte an Scholz, beim Klimaschutz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Während sich FDP und Grüne beharkten, falle »der Klimakanzler« total aus, kritisierte er im Deutschlandfunk.

© dpa-infocom, dpa:230304-99-823920/3