BRÜSSEL. Die Europäer sollen nach dem Willen der EU-Kommission im Sommer wieder reisen können - mit einem »Grünen Zertifikat« als Nachweis von Impfungen, Tests oder einer überstandenen Covid-Erkrankung.
Das Konzept stellte Kommissionschefin Ursula von der Leyenin Brüssel vor. Nach harter Kritik am Impfstoffmangel will sie zudem nun strikter darauf achten, dass die Hersteller vorrangig die EU beliefern. Impfstoffexporte in Länder wie Großbritannien sollen notfalls schärfer beschränkt werden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten dafür plädiert, einen gegenseitig anerkannten digitalen Impfnachweis zu entwickeln. Sie sind aber uneins, ob damit Erleichterungen beim Reisen verbunden sein sollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Vorbehalte, solange erst wenige Zugang zu einer Corona-Impfung haben. Urlaubsländer drängeln hingegen. Österreich will bereits ab April schrittweise mit der Einführung des Zertifikats beginnen.
Von der Leyen zielt mit dem Vorstoß ebenfalls auf Bewegungsfreiheit: »Mit diesem digitalen Zertifikat wollen wir unseren Mitgliedstaaten helfen, verantwortungsvoll und sicher die Freizügigkeit wiederherzustellen«, sagte die CDU-Politikerin. Der Kritik an Vorzügen für Geimpfte will die Kommission damit begegnen, dass die geplanten Zertifikate auch negative Tests oder Antikörper nach einer Corona-Infektion aufnehmen sollen.
Die Kommission nennt den Nachweis »Digitales Grünes Zertifikat«. Es soll aber auch in Papierform gelten. Jeder soll es kostenlos bekommen, alle EU-Staaten sollen es anerkennen. Zentraler Punkt ist ein QR-Code, der die Sicherheit und Echtheit des Zertifikats garantieren soll. Grundsätzlich soll es den EU-Staaten überlassen bleiben, welche Vorteile sie gewähren. Wenn sie jedoch weiter zum Beispiel Quarantäne oder Tests von Inhabern der Zertifikate verlangen, müssten sie dafür auf EU-Ebene Gründe darlegen.
Entscheidend ist aus Sicht von der Leyens, dass in Europa nun schneller geimpft wird. Das Ziel, bis Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen in der EU geimpft zu haben, bekräftigte sie. Ebenso die Prognose, dass die EU-Staaten im ersten Quartal 100 Millionen und im zweiten Quartal mindestens 300 Millionen Impfdosen erhalten.
Trotzdem drohte von der Leyen mit einer härteren Gangart gegen Impfstoffexporte aus der EU. So wurden seit dem 1. Februar nach Angaben der EU-Kommission mindestens 41 Millionen Dosen Corona-Impfstoff in 33 Länder exportiert, obwohl in der EU selbst Impfstoff knapp ist. Das lasse sich den Bürgern kaum noch erklären, sagte von der Leyen. Neue Auflagen könnten für jene Länder kommen, die selbst keinen Impfstoff aus dem Land lassen oder die bereits einen höheren Anteil von geimpften Menschen haben als die EU.
Im Visier ist offenbar vor allem Großbritannien. Nach von der Leyens Worten gingen allein zehn Millionen Impfdosen aus der EU ins Vereinigte Königreich. Im EU-Vertrag mit Astrazeneca seien zwei britische Fabriken für Lieferungen an die EU vorgesehen. "Wir warten immer noch auf Dosen, die aus Großbritannien bei uns ankommen, sagte von der Leyen. Auf Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit komme es an. "Wir sind bereit, alle Instrumente einzusetzen, die wir brauchen, um das zu erreichen."
Von der Leyen kritisierte Astrazeneca wegen dessen Lieferrückstand. Die Firma werde im zweiten Quartal nach derzeitigen Angaben nur etwa 70 Millionen Dosen liefern, statt der vertraglich zugesagten 180 Millionen. Bei Astrazeneca sei noch »viel Luft nach oben«. (dpa)