WASHINGTON. Es klingt, als hätte Donald Trump auf einmal keine Lust mehr. Seit Mitte März hielt der US-Präsident beinahe jeden Tag Pressekonferenzen zur Corona-Pandemie ab. Immer am frühen Abend, oft an die zwei Stunden lang.
In der Corona-Krise sind die live im Fernsehen übertragenen Veranstaltungen zum festen Ritual geworden. Eine Show mit einem Mann im Rampenlicht: dem einstigen Reality-TV-Star Trump. Nun stellt Trump seine Auftritte aber zur Disposition.
Am Samstagabend, zur sonst üblichen Briefing-Zeit, meldete sich Trump nicht vom Rednerpult zu Wort, sondern per genervtem Tweet: Was habe es für einen Zweck, Pressekonferenzen im Weißen Haus abzuhalten, wenn die Medien »nichts als feindselige Fragen stellen & sich dann weigern, die Wahrheit oder Fakten genau zu berichten«, schrieb er dort.
»Sie haben Rekord-Einschaltquoten & das amerikanische Volk bekommt nichts als Fake News.« Das sei den Aufwand nicht wert. Ob das bedeutet, dass er künftig gar keine Pressekonferenzen mehr zur Corona-Krise machen möchte, ließ der Präsident offen. Zuletzt hatte ihm sein Auftreten jedenfalls viel Ärger eingehandelt.
Bei seinem Briefing am Donnerstag hatte der Präsident vor laufender Kamera die Frage aufgeworfen, ob Menschen nicht Desinfektionsmittel gespritzt werden könnte, um das Virus zu bekämpfen. Der Aufschrei war groß.
Die Katastrophenschutzbehörde des US-Staats Maryland erklärte kurz nach Trumps Auftritt, es seien mehrere Anrufe mit Fragen zu Desinfektionsmittel und Covid-19 eingegangen. Unter keinen Umständen dürften solche Mittel injiziert oder anderweitig verabreicht werden. Auch andere öffentliche Stellen und ein Hersteller von Desinfektionsmittel sahen sich zu öffentlichen Warnungen veranlasst.
Trump behauptete daraufhin, seine Äußerung sei »sarkastisch« gemeint gewesen. Doch richtig einfangen ließ sich die Äußerung nicht. Bei seinem Briefing am Freitag gab sich Trump dann ungewohnt schmallippig: Er beendete die Pressekonferenz nach einer Rekordzeit von nur etwa 20 Minuten - ohne Fragen zu beantworten.
Mehrere US-Medien berichteten am Wochenende, es gebe eifrige Bemühungen von Trumps Beratern, die Briefings abzukürzen und seltener anzusetzen. Kurz darauf folgte dann Trumps Tweet.
Die »New York Times« schrieb zuletzt, die Pressekonferenz sei der einzige Teil des Tages, auf den Trump sich freue - »obwohl sogar Republikaner sagen, dass die zweistündigen politischen Angriffe, Klagen und Unwahrheiten des Präsidenten ihm politisch schaden«. Trump betrachte die Briefings Beratern zufolge als Prime-Time-Shows, die für ihn der beste Ersatz für die gigantischen Wahlkampfveranstaltungen seien, aus denen er sonst Energie zieht und die in Corona-Zeiten nicht möglich sind.
»Wir haben eine enorme Zahl an Zuschauern«, jubelte der Präsident kürzlich. Ein anderes Mal schrieb er bei Twitter, die Einschaltquoten bei seinen Briefings machten selbst die Produzenten beliebter Fernsehshows neidisch. Die Veranstaltungen garantierten stets Nachrichten, stießen aber von Anfang an auf viel Kritik.
Angekündigt waren diese stets als Pressekonferenzen der Coronavirus-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses. Trump beanspruchte sie aber überwiegend für sich. Laut einer Statistik der »Washington Post« sprach Trump seit Mitte März 63 Prozent der Zeit bei den Veranstaltungen, die prominentesten Wissenschaftler der Corona-Arbeitsgruppe - Deborah Birx und Anthony Fauci - kamen auf zehn beziehungsweise fünf Prozent.
Trump nutzte die Auftritte in den vergangenen Wochen vor allem, um sich und sein umstrittenes Krisenmanagement zu loben (»Ich hätte es nicht besser machen können«). Er präsentierte auch mehrfach Videoclips, in denen andere ihn preisen - schließlich ist der Republikaner im Wahlkampf. (dpa)