DRESDEN. Die Corona-Pandemie dient Rechtspopulisten als Katalysator und hat ihnen in ganz Europa Rückenwind verschafft. Das ist ein zentraler Befund einer Studie des Mercator Forums Migration und Demokratie (Midem) an der Technischen Universität Dresden.
Wissenschaftler hatten dafür Beiträge populistischer Parteien in zwölf Ländern quantitativ und qualitativ analysiert.
»Krisenzeiten sind immer Einfalltore für Unzufriedenheit und Protest«, erklärte Midem-Chef Hans Vorländer am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie »Corona und Rechtspopulismus« in Dresden. Politische Kräfte hätten dann leichtes Spiel, Sorgen, Ängste und Ressentiments zu schüren und Eliten, Institutionen oder gar ein ganzen System an den Pranger zu stellen. So sei es auch in der Migrationskrise schon gewesen.
Corona nicht unbedingt »Gewinnerthema«
Allerdings differenziert die Analyse auch. Generell sei Corona nicht unbedingt ein Gewinnerthema für Rechtspopulisten gewesen, sagte Vorländer. »Aber sie konnten dort reüssieren, wo sie schon bestehende Entfremdungserfahrungen und populistische Einstellungen einzelner Bevölkerungsgruppen mit ihre Systemkritik aufzugreifen und zuzuspitzen vermochten.« Insofern seien »Rechtspopulisten noch populistischer geworden«.
Auf offiziellen Kanälen würden Rechtspopulisten das Thema Corona - so das Ergebnis der quantitativen Analyse - meist nicht häufiger ansprechen als andere. »Die Art der Kommunikation hebt sich jedoch von der anderer Parteien deutlich ab.« Staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung seien zu einer Projektionsfläche für polemisch und emotional aufgeladene Regierungskritik geworden. »Eine Ausnahme stellen rechtspopulistische Parteien dar, die an der Regierung sind: Sie waren während der Pandemie vor allem darauf bedacht, das Thema Corona zu entpolitisieren.« In der Opposition aber hätten sie die Pandemie zur Schärfung ihres populistischen Profils genutzt.
Radikaler Kursewechsel
Um sich glaubhaft als Alternative zu etablierten Parteien zu empfehlen, hätten oppositionelle Rechtspopulisten einen radikalen Kurswechsel zu Beginn der Pandemie vollzogen - von Befürwortern zu scharfen Kritikern der Maßnahmen, sagte Vorländer. »Auf diese Weise bleiben sie ihrer Anti-Establishment-Haltung treu und inszenieren sich als Sprachrohr eines von Corona-Maßnahmen gebeutelten Volkes.« Das Thema Migration bleibe für Rechtspopulisten auch in der Pandemie wichtig - vor allem in Nordeuropa. In den sozialen Medien würden Corona und Migration oft verknüpft, etwa wenn man vor der Verbreitung des Virus durch Migranten warne.
Mit Fortdauer der Pandemie und angesichts dramatisch steigender Inzidenzen sei davon auszugehen, dass die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement wächst, bemerkte Vorländer. Das führe zu einer Vertiefung politischer gesellschaftlicher Spaltungen. Als Beleg nannte er Demonstrationen - ob nun in Wien, Rotterdam oder in Zwönitz. Wie schon in der Migrationskrise würden Rechtspopulisten und rechtsextreme Gruppierungen versuchen, sich der Unzufriedenheit zu bemächtigen und in die bürgerliche Mitte hineinzuwirken.
Die Analyse offizieller Facebook-Kanäle rechtspopulistischer Parteien in Europa zeige, »dass Corona ein wichtiges Mobilisierungsthema ist und zur Erschließung populistischer Wählerschichten genutzt wird«, hieß es weiter. Mit Blick auf die AfD zeige die Studie, dass deren populistischer Stil ausschlaggebend ist, um zahlreiche Corona-Skeptiker hinter der Partei versammeln. (dpa)