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Spanier feiern Lockerung von »Hausarrest« nach 48 Tagen

Wenige Länder wurden von der Corona-Pandemie so hart getroffen wie Spanien. Weil nun im Kampf gegen das Virus Erfolge erzielt werden, durften die Spanier nach sieben Wochen erstmals wieder Freizeit im Freien genießen. Ein Hollywood-Star bleibt indes lieber zu Hause.

Nach Draußen
Menschen gehen bei Sonnenuntergang auf einer Strandpromenade spazieren und treiben Sport. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa
Menschen gehen bei Sonnenuntergang auf einer Strandpromenade spazieren und treiben Sport. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

MADRID. Die erste Lockerung der Ausgangssperre für Freizeitaktivitäten nach 48 Tagen hat überall im Corona-Hotspot Spanien für Partystimmung und volle Straßen gesorgt.

Noch bis kurz vor Mitternacht strömten die Menschen am Samstag zahlreich und ausgelassen ins Freie. Erstmals seit Mitte März durften die knapp 47 Millionen Bürger aus dem Haus, um spazieren zu gehen oder Sport zu treiben. Strandpromenaden wie das Paseo Marítimo in Barcelona füllten sich schon frühmorgens mit Radfahrern, Joggern und Spaziergängern. In Madrid sah man vor allem auf großen Straßen wie der Gran Vía oder dem Paseo de la Castellana sehr viele Menschen.

Die Mannheimerin Christine traute ihren Augen nicht, obwohl sie seit mehr als 40 Jahren in der Fiesta-Hochburg Barcelona lebt und an Tohuwabohu gewöhnt ist. »Es war irre draußen!«, meinte die 69 Jahre alte ehemalige Lehrerin an der deutschen Schule der katalanischen Metropole. »Halb Barcelona joggt oder fährt Rad.« In Madrid war Ángeles derweil erleichtert. »Ich dachte schon, ich hätte das Gehen verlernt«, sagte die 57-Jährige dem spanischen Fernsehen.

Selbst in weniger dicht besiedelten, sonst eher ruhigen Gebieten wie der nordwestlich von Madrid gelegenen Region Kastilien und León war am Samstag bei sommerlichen Temperaturen der Teufel los. »Heute joggen viele, die vorher noch nie in ihrem Leben gelaufen sind«, mutmaßte die regionale Gesundheitsministerin Verónica Casado, die ob der Menschenansammlungen »schon erschrocken« war.

Die große Mehrheit hielt sich zwar an Ausgeh- und Distanzregeln. Aber es bildeten sich auch unerlaubte größere Gruppen. Antonio Banderas ärgerte sich daheim in Málaga über rücksichtslose »Paparazzi ohne Schutzmasken«, die ihm beim Joggen »die Kameras vors Gesicht gehalten« hätten, wie der 59-Jährige auf Twitter klagte. Er schließe sich daher vorerst lieber weiter zu Hause ein.

Ministerpräsident Pedro Sánchez mahnte zur Vorsicht: »Wir machen heute einen weiteren Schritt zur Lockerung der Ausgehsperre, wir müssen das aber vorsichtig und verantwortlich tun. Das Virus ist immer noch da«, schrieb der sozialistische Politiker auf Twitter.

Viele Bürger waren sehr früh aufgestanden. Denn neben örtlichen Beschränkungen und strengen Regeln gibt es zum Genuss der »neuen Freiheit« auch Zeitfenster. Die meisten Erwachsenen und Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren dürfen nur zwischen 06.00 und 10.00 sowie zwischen 20.00 und 23.00 Uhr aus dem Haus. Bürger, die älter als 70 sind, dürfen zwischen 10.00 und 12.00 sowie zwischen 19.00 und 20.00 Uhr raus. Kinder unter 14 dürfen zwischen 12.00 und 19.00 Uhr mit einem Elternteil vor die Tür.

Beim Spazierengehen darf man sich nur bis zu einem Kilometer vom eigenen Wohnsitz entfernen. Beim Sport soll man die Wohngemeinde nicht verlassen. Sport muss man unbegleitet treiben, spazieren gehen darf man zwar auch zu zweit, aber nur mit einem Mitbewohner.

In einigen Städten, darunter in Madrid, blieben die Parks vorerst alle weiterhin geschlossen. Viele Küsten- und Badeorte gestatteten zwar das Betreten der Strände, untersagten aber mehrheitlich weiterhin das Baden im Meer oder das Sonnen im Sand.

Die Lockerung ist Teil des Vier-Phasen-Plans, mit dem Spanien bis Ende Juni eine »neue Normalität« erreichen möchte. Jede Stufe soll zwei Wochen dauern. Nach und nach sollen immer mehr Geschäfte, Lokale und Kirchen sowie später Fitnessstudios, Kinos, Theater und Hotels geöffnet werden. Reisen zwischen den Regionen werden frühestens Ende Juni wieder erlaubt sein. Mit ausländische Touristen wird frühestens im Herbst gerechnet.

In Spanien durfte man seit Mitte März und bis Freitag nur noch in Ausnahmefällen und allein aus dem Haus - etwa, um zur Arbeit zu fahren, den Hund auszuführen oder Einkäufe zu tätigen.

Der »Hausarrest« trage Früchte, betonte Sánchez am Samstag. Die Zahl der neuen Todesopfer lag mit 276 erstmals seit Mitte März am dritten Tag in Folge unter 300. Insgesamt starben bisher 25.100 Infizierte. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionsfälle kletterte um knapp 1150 oder nur noch gut 0,5 Prozent auf etwas über 216.000. Sánchez kündigte an, er werde beim Parlament dennoch eine Verlängerung des Alarmzustands um weitere zwei Wochen beantragen. Zudem werde von Montag an das Tragen von Schutzmasken in öffentlichen Verkehrsmitteln Pflicht sein.