BERLIN. Die Schwierigkeiten des Schulbetriebs unter Corona-Bedingungen waren am Donnerstag Thema eines Spitzengesprächs im Kanzleramt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und mehrere Kultusminister aus den Ländern kamen am späten Nachmittag zu einem »informellen Austausch« zusammen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert zuvor angekündigt hatte. Das Treffen gehe auf eine Verabredung zwischen Esken und der Bundeskanzlerin zurück.
Die SPD-Chefin schrieb am Donnerstag bei Twitter: »Worum es mir heute beim Treffen mit Kanzlerin und KultusministerInnen geht? Wir haben 2020 und es wird Zeit, dass man das auch im Klassenzimmer merkt.«
Konkrete Beschlüsse waren jedoch laut Seibert nicht zu erwarten. Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte vor dem Gespräch: »Das ist kein Beschlussgremium.« Es gehe um einen Meinungsaustausch und darum, sich gemeinsam einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Nach dpa-Informationen nahmen an dem Gespräch neben Lorz auch die Kultusminister aus Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein teil.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte dennoch konkrete Ergebnisse: »Dass Bund und Länder sich zusammenfinden, um die Herausforderungen von Bildung in Corona-Zeiten zu diskutieren, ist zwar gut«, sagte der Verbandsvorsitzende Udo Beckmann. »Besser wäre, wenn hinterher nicht nur von einem konstruktiven Austausch gesprochen würde, sondern konkrete Maßnahmen der Verbesserung angepackt werden«, fügte er hinzu. »Zu Recht wird die Wirtschaft gerade mit Wumms gerettet. Wir erwarten aber, dass endlich mit ebenso viel Wumms in Bildung investiert wird.«
Beraten werden sollte Seibert zufolge auch über »digitale Bildungsangebote«, »die verlässlich und zeitgemäß Bildung vermitteln können«. Die Corona-Pandemie hatte gezeigt, dass es in diesem Bereich große Defizite gibt. Aufgabenstellungen und Kommunikation über Internet während der Schulschließungen funktionierten nur bedingt. Bildungsgewerkschaften und Lehrerverbände hatten zudem kritisiert, dass nicht alle Schüler zu Hause mit entsprechender Technik ausgestattet seien. Auch das Fehlen von Dienstgeräten für Lehrkräfte wurde bemängelt.
Schon jetzt sei klar, »dass der Unterricht auf absehbare Zeit aus einer Mischung von Präsenzunterricht und digitalem Lernen von zu Hause bestehen wird«, erklärte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) dem »Handelsblatt« zufolge in einem internen Schreiben an die CDU/CSU-Abgeordneten des Bundestages. Damit drehe sich die Diskussion erneut um die digitale Ausstattung von Schulen, Lehrern und Schülern. Brinkhaus rief die Länder vor dem Treffen im Kanzleramt dazu auf, bis Ende des Jahres nach Möglichkeit alle Lehrer mit einem Laptop und entsprechender Software auszustatten. Zudem sei für die Schulen auch ein IT-Manager nötig.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, sagte der persönliche Kontakt zwischen Lehrkräften und Schülern sei wichtig. »Die Länder haben mit der Entscheidung, im neuen Schuljahr auf Abstandsregeln im Unterricht zu verzichten, allerdings sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler einer unnötigen Gefährdung ausgesetzt.« Jede Schule brauche jetzt eine eigene Gefährdungsbeurteilung, mit der die Gesundheit aller geschützt und das Infektionsrisiko minimiert werden könne.
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sagte, das Treffen bei Merkel sei zwar vernünftig, komme aber fünf Monate zu spät. »Es ist vor allem die fehlende digitale Ausstattung, die während der Schulschließungen Tausenden Schülern den Zugang zu Bildung verwehrt hat.« Dafür trage auch die Bundesregierung die Verantwortung. Dass es keine konkreten Beschlüsse geben solle, sei unverständlich, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Birke Bull-Bischoff. »Denn diese sind dringend notwendig, und die Sommerferien sind in einigen Ländern schon längst vorbei.« (dpa)