BERLIN. Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Montag zu seiner ersten Auslandsreise dieses Jahres nach Spanien auf. In Madrid trifft er sich mit Ministerpräsident Pedro Sánchez, mit dem er unter anderem über die Bekämpfung der Corona-Pandemie sprechen will.
Spanien ist nach Frankreich, Polen und Italien das vierte Land, in dem Scholz einen Antrittsbesuch absolviert. Außerdem hatte der SPD-Politiker sich im Dezember in Brüssel bei der Europäischen Union und der Nato vorgestellt.
Spanien ist nach Deutschland, Frankreich und Italien das Land mit der viertgrößten Einwohnerzahl in der EU. Es gehört aber nicht zur G7 der führenden westlichen Industrienationen und ist bei den G20-Gipfeln der weltweit wichtigsten Wirtschaftsmächte auch nur als ständiger Gast dabei. Mit dem Austritt Großbritanniens hat Spanien aber innerhalb der Europäischen Union an Bedeutung gewonnen.
Chancen für neue Allianzen
Mit dem Sozialisten Sánchez trifft Scholz in Madrid auf einen Ministerpräsidenten, der ihm politisch sehr nahe steht. Die spanische Zeitung »El País« schrieb vor dem Besuch, Scholz' Einzug ins Kanzleramt eröffne Sánchez Chancen für neue Allianzen, allerdings büße er auch seine Rolle als Vorreiter der europäischen Sozialdemokratie ein.
Im Kampf gegen Corona sieht sich Spanien derzeit zwar mit höheren Infektionszahlen konfrontiert als Deutschland, das Land hat aber gleichzeitig auch eine deutlich höhere Impfquote. Rund 85 Prozent der Einwohner Spaniens sind mindestens einmal immunisiert, in Deutschland sind es nur 75 Prozent. Eine Debatte über die Einführung einer Impfpflicht wie hierzulande gibt es daher in Spanien nicht und auch keine nennenswerten Proteste von Impfgegnern.
Sánchez wagt daher einen neuen Blick auf das Virus und will sein Land zum Vorreiter auf dem Weg in die endemische Phase machen, in der Corona ähnlich wie eine Grippewelle behandelt würde. Dafür müssten jetzt schon »Brücken entworfen« werden, fordert er. Spanische Experten arbeiten nach seinen Worten schon länger an einer Wende in der Corona-Überwachung. Spezielle Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen sollen danach künftig Corona-Daten wie Grippe-Daten melden, die dann hochgerechnet werden könnten. Die aufwendige Testung und Nachverfolgung von Infizierten könnte entfallen.
Spaniens lockerer Umgang mit Corona
Allerdings stieß Sanchez mit diesem Vorschlag auf Kritik. »Es gibt Maßnahmen, auf die nicht verzichtet werden kann. Bis diese Welle vorüber ist, ist es nicht ratsam, das System zu ändern«, sagte der Vizepräsident der Spanischen Gesellschaft für Epidemiologie, Óscar Zurriaga, der Deutschen Presse-Agentur. Der Professor an der Universität Valencia betont: »Die Pandemie ist noch nicht vorbei und wir wissen nicht, wohin sie uns noch führen wird.«
Auch der von der Bundesregierung berufene Corona-Experte Lars Kaderali hält einen lockereren Umgang mit dem Coronavirus, wie er in Spanien erwogen wird, für Deutschland noch nicht für ratsam: »Selbst wenn das in Spanien gut gehen sollte, kann man daraus nicht rückschließen, dass das eine gute Strategie für Deutschland wäre.«
Neben der Corona-Pandemie könnten bei Scholz' Besuch in Spanien auch die steigenden Energiepreise, die Migration über das Mittelmeer nach Europa und die immer weiter zunehmenden Spannungen mit Russland zur Sprache kommen. Die Reise des Kanzlers findet parallel zum Antrittsbesuch von Außenministerin Annalena Baerbock in der Ukraine statt. Am Dienstag ist die Grünen-Politikerin beim russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau zu Gast. (dpa)