LONDON. Der britische Premierminister Boris Johnson wird wegen seiner Covid-19-Erkrankung jetzt auf der Intensivstation eines Londoner Krankenhauses behandelt. Politiker aus aller Welt wünschten ihm noch in der Nacht zum Dienstag eine schnelle Genesung.
Johnson habe Außenminister Dominic Raab (46) damit beauftragt, ihn zu vertreten, wo es notwendig sei, teilte eine Regierungssprecherin am Montagabend mit. Über den genauen Zustand des 55-Jährigen informierte Downing Street hingegen nicht.
»Der Premierminister ist in hervorragenden Händen und dankt allen Mitarbeitern des (Gesundheitsdiensts) NHS für ihre harte Arbeit und ihr Engagement«, heißt es weiter in der offiziellen Mitteilung. Königin Elizabeth II. (93) wurde über die Lage informiert. Nach Medienberichten ist Johnson bei Bewusstsein.
Raabs erste Amtshandlung als Premier-Vertreter wird am Dienstag die Leitung der täglichen Corona-Videokonferenz des »Kriegs-Kabinetts« sein, berichtete die Agentur PA. Bei der Bekämpfung des Virus wolle er sich an die von Johnson vorgegebene Linie halten, hieß es. Raabs Ambitionen, das Land zu regieren, dürfte am Dienstag in Erfüllung gehen, »vorübergehend und nicht unter den Umständen, die er erhofft hat«, schrieb PA. Die »Times« bezeichnete Raab als »de facto-Premierminister« seit Montagabend.
Da es keinen festen Stellvertreter für den britischen Premier gibt, entscheidet dieser selbst, wer ihn vertritt.
Johnson war am Sonntag in das staatliche St. Thomas' Hospital nahe des Parlaments gebracht worden. Der Zustand des 55-Jährigen hatte sich im Laufe des Montagnachmittags aber plötzlich derart verschlechtert, dass ihn die Ärzte am Abend auf die Intensivstation verlegten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschte dem Premierminister viel Kraft und gute Besserung. Sie hoffe, dass Johnson das Krankenhaus bald wieder verlassen könne, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert im Kurznachrichtendienst Twitter.
US-Präsident Donald Trump zeigte sich bestürzt über die Nachrichten aus London. »Es war einfach so schockierend zu sehen«, sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. »Sie wissen, was das bedeutet, Intensivpflege ist eine große Sache in Bezug auf das, worüber wir sprechen. Das ist eine sehr große Sache, eine sehr beängstigende Sache.«
Trump sagte auch, man habe Johnsons Ärzten Unterstützung angeboten. »Wir werden sehen, ob wir helfen können.« Er deutete an, dass es um die Behandlung mit Medikamenten geht, die noch nicht für die Behandlung einer Erkrankung mit dem Coronavirus zugelassen sind.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wünschten dem Regierungschef via Twitter eine schnelle Genesung. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb: »Viel Kraft, Boris, und werde bald gesund.« Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon twitterte: »Meine Gedanken sind beim Premierminister und bei seiner Familie.« Der britische Finanzminister Rishi Sunak teilte ebenfalls per Twitter mit, seine Gedanken seien bei Johnson und dessen schwangerer Freundin Carrie Symonds.
Symonds verbrachte eine Woche lang mit Symptomen der Lungenkrankheit im Bett. Das Paar hatte Ende Februar seine Verlobung bekanntgegeben. Das Baby soll im Frühsommer auf die Welt kommen.
Johnson hatte seine Infektion mit dem Erreger am 27. März öffentlich gemacht. Zunächst arbeitete er isoliert im Regierungssitz in der Downing Street weiter. In seinen Videobotschaften zur Pandemie gab er sich zwar optimistisch, er wirkte aber bereits angeschlagen und hatte auch deutlich an Gewicht verloren.
Er sei auf Anraten seines Arztes »zu einigen Routinetests« ins Krankenhaus gegangen, hatte Johnson noch am Montag per Twitter mitgeteilt. Nach Angaben eines Regierungssprechers litt er unter Fieber und Husten. Einige britische Medien schrieben hingegen von einer schweren Erkrankung der Lunge; Johnson wurde demnach schon beatmet. Außenminister Raab vertrat ihn bereits auf einer Sitzung.
Noch Anfang März hatte der Premierminister damit geprahlt, dass er Menschen in einem Krankenhaus, darunter Covid-19-Patienten, die Hände geschüttelt habe. Das werde er auch weiterhin tun, sagte er damals.
Die britische Regierung steht im Kampf gegen die Pandemie unter erheblichem Druck: Durch einen Schlingerkurs verlor sie wertvolle Zeit, um den Ausbruch einzudämmen. Im chronisch unterfinanzierten Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) gibt es zudem nicht genügend Tests, Schutzausrüstungen und Beatmungsgeräte. Erste Kliniken meldeten nach britischen Medienberichten sogar einen Mangel an Sauerstoff für die Beatmung der Lungenkranken. (dpa)