BERLIN. Ob Berlin, Rom oder Madrid: überall gelten Ausgangsbeschränkungen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Auch viele Politiker sind infiziert oder warten auf Testergebnisse. Regieren in Zeiten von Homeoffice und sozialer Distanz - wie geht das? Ein Blick hinter die Kulissen in einer dpa-Umfrage:
DEUTSCHLAND: In Berlin hat vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer häuslichen Quarantäne Schlagzeilen gemacht. Sie sei »sehr, sehr gut beschäftigt«, berichtete die CDU-Politikerin jüngst aus dem Homeoffice. Sie verbringe viel Zeit in Videokonferenzen und Telefonschalten. »Trotzdem fehlt mir so ein bisschen, dass ich zum Beispiel bei den Kabinettssitzungen jetzt nicht persönlich dabei sein kann, dass ich die Leute dann nicht sehe oder dass man eben gar keinen persönlichen Kontakt jetzt hat.« Inzwischen wurde auch bei ihrem dritten Test keine Infektion festgestellt. Dennoch will Merkel auch in den nächsten Tagen die Dienstgeschäfte aus ihrer häuslichen Quarantäne wahrnehmen.
ITALIEN: In dem besonders stark von der Pandemie betroffenen Land war Attilio Fontana (68), Regionalpräsident der Lombardei, der erste Polit-Promi, der sich selbst in häusliche Isolation begab. Und zwar schon im Februar, wenige Tage nach Bekanntwerden des Ausbruchs in seiner Region im Norden des Landes. Er hatte eng mit einer Corona-Infizierten zusammengearbeitet. Ein erster Test bei dem Politiker der rechten Lega hatte für ihn zwar Entwarnung gegeben. Er wurde aber zum Vorbild, weil er mehrfach Interviews aus der Quarantäne mit Mundschutz gab. Später machten es andere Politiker und Experten ähnlich - ihre TV-Bilder aus dem Homeoffice wurden stilprägend in Italien.
VATIKAN: Papst Franziskus zog sich im Laufe der Corona-Krise immer weiter aus der Öffentlichkeit zurück. Anfang März ersetzte der Vatikan größere Auftritte des 83-Jährigen durch Videobotschaften. Er lebt hinter den dicken Mauern des Vatikanstaates in der Residenz Santa Marta. Doch eine richtige Quarantäne ist das nicht. Der Pontifex empfängt weiter einzelne Besucher zu Audienzen. Auf Fotos sieht man ihn ohne Mundschutz, und es kursieren Berichte, dass er Gästen - obwohl er wegen seines Alters zur Hochrisiko-Gruppe gehört - auch die Hand gebe. Mitte März lief er sogar durch die leergefegten Straßen Roms und betete in zwei Kirchen für ein Ende der Pandemie.
SPANIEN: In Spanien sind zahlreiche Spitzenpolitiker positiv auf das Coronavirus getestet worden, darunter mehrere Angehörige des Kabinetts von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Sánchez selbst wurde von Medien mehrfach kritisiert, weil er energisch zur sozialen Distanz aufruft, selber aber wenig Vorsicht walten lasse. Er sei öffentlich noch nie mit Schutzmaske aufgetreten und komme seinen Mitarbeitern im Regierungssitz Palacio de la Moncloa gefährlich nahe, versicherten Zeitungen. Dabei ist seine Ehefrau María Begoña Gómez (45) selber infiziert. Inwieweit der Sozialist dieser Tage Abstand zu seiner Gattin hält, ist nicht bekannt.
GROSSBRITANNIEN: Der britische Premierminister Boris Johnson musste sich in häusliche Isolation zurückziehen, nachdem er positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Auch von seiner schwangeren Verlobten Carrie Symonds muss er sich fernhalten. Er hält sich in seiner Dienstwohnung in der Downing Street auf. Wie britische Medien berichteten, werden ihm Mahlzeiten vor die Tür gestellt, auch Regierungsdokumente werden dort abgelegt. Johnson gibt sich optimistisch: »Haben Sie keinen Zweifel, ich werde - dank der Wunderwerke moderner Technologie - mit meinem gesamten Top-Team kommunizieren, um den Kampf gegen Covid-19 anzuführen«, so der Premier in einer Videobotschaft.
USA: Donald Trump unterzeichnete dieser Tage im Oval Office des Weißen Hauses das inzwischen dritte Hilfspaket - umringt von 15 Kabinettsmitgliedern, Beratern, Kongressmitgliedern und Senatoren, die dicht an dicht um den US-Präsidenten herum standen. Die Richtlinien Trumps zur Eindämmung des Coronavirus sehen vor, Ansammlungen von mehr als zehn Menschen zu vermeiden. Der CNN-Journalist Jim Acosta spottete auf Twitter: »Soziale Distanz? Nicht bei der Unterzeichnung des Konjunkturgesetzes im Oval Office.«
RUSSLAND: Der russische Präsident Wladimir Putin ist im Homeoffice in seiner Vorstadtresidenz Nowo-Ogarjowo - ohne allerdings von Quarantäne zu sprechen. Von dort aus macht er die Videoschalten - und regiert digital. Er hat für diese Woche ganz Russland in einwöchige Ferien geschickt. Aber viele kritisierten, dass er nicht zeitgleich Ausgangssperren und Kontaktverbote verhängte. Inzwischen haben die russische Hauptstadt Moskau und einige andere Regionen aber zumindest weitgehende Ausgangsbeschränkungen eingeführt.
DÄNEMARK: Wie in Norwegen gelten in Dänemark strikte Corona-Maßnahmen. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die besonders früh verschärft gegen die Pandemie vorging, macht sich und anderen Mut: »Jeden Tag versuche ich, den Tag mit ein wenig frischer Luft für Körper und Geist zu beginnen«, schrieb sie jüngst zu einem Selfie von sich vor einem See auf Facebook. »Ich weiß, wie viel diese Zeit von Euch verlangt. Danke für Euren großen Einsatz. Wir halten zusammen - jeder für sich«, ergänzte sie.
LETTLAND: Ein Großteil des Kabinetts in Riga befindet sich in Selbstisolation, darunter Regierungschef Krisjanis Karins. Der gab in einem Interview einen Einblick in seinen Tagesablauf. »Morgens war ich sehr glücklich, ich verbrachte fast 40 Minuten draußen im Garten. Wunderbares Wetter! Mein Gott, wie schön die Sonne schien. Ich spazierte ein wenig durch den Garten, atmete frische Luft ...«, erzählte er dem lettischen Privatsender SWH. Trotz »Heimarbeit« zeigt sich Karins bei Online-Auftritten immer mit Anzug und Krawatte. Auf die Frage, ob er nicht zumindest unten herum in Jogginghose vor dem Rechner sitze, antwortete er, da würde er sich unwohl fühlen.
RUMÄNIEN: Ministerpräsident Ludovic Orban war elf Tage lang bis zum 24. März in selbst gewählter Isolation in einer Gäste-Villa der Regierung. Nur Mitte des Monats verließ er sein Homeoffice, um mit der neuen Regierung den Amtseid zu leisten. Erstaunlicherweise gab es davon keine Bilder. Das Präsidialamt erklärte aber detailreich, alle dort anwesenden Minister, Orban und Staatspräsident Klaus Iohannis hätten Masken und Handschuhe getragen. Die Kugelschreiber, mit dem die Minister ihre Amtseide unterschrieben, seien nach einmaligem Gebrauch weggeworfen worden. Alle Objekte, die sie während des Amtseides berührten - darunter wohl auch die Bibel, auf die sie die Hand legen mussten - seien nach jedem Schwur desinfiziert worden. (dpa)