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Pflege: Arzt fordert Personaluntergrenzen erneut auszusetzen

Die Zahl an Intensivpatienten in der Corona-Krise steigt weiter. Experten befürchten eine Überlastung der Krankenhäuser. Und fordern drastischere Maßnahmen.

Intensivstation
Da durch Corona-Patienten ein höherer Bedarf an Intensivbetreuung erwartet wird, gibt es drastische Forderungen. Foto: Fabian Strauch/dpa
Da durch Corona-Patienten ein höherer Bedarf an Intensivbetreuung erwartet wird, gibt es drastische Forderungen. Foto: Fabian Strauch/dpa

BERLIN. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat eine erneute Aussetzung der Personaluntergrenzen in der Pflege gefordert.

»Schaffen wir die Grundversorgung nicht mehr, dann können ganz viele andere Fälle nicht länger optimal behandelt werden«, sagte DGP-Präsident Michael Pfeifer der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Ein limitierender Faktor, um aus der Personalfalle herauszukommen, ist die Pflege-Untergrenze, die wir grundsätzlich für richtig und gut halten.« In der aktuellen Lage verschärfe sie allerdings die Situation.

Im Frühjahr hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die festen Personaluntergrenzen für bestimmte Stationen bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Kliniken konnten so vorübergehend von Vorgaben zur Mindestbesetzung mit Pflegekräften abweichen.

Der Anstieg von Corona-Patienten sei »rasant und bedrohlich«, sagte Pfeifer weiter. Dabei fehle es nicht an Beatmungsgeräten und Betten, sondern an Personal. »Das Gesamtpersonal wird es nicht schaffen, noch einmal wie im Frühjahr so eine enorme Kraftanstrengung zu erbringen, und schon gar nicht über fünf Monate.«

Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, warnte aber davor, auf eine schnelle Fluktuation auf den Stationen zu bauen. Pflegekräfte könnten nicht einfach auf Intensivstationen versetzt werden. »Die Fachpflegepersonen auf den Intensivstationen haben überwiegend eine Zusatzausbildung absolviert, beziehungsweise Berufserfahrung im Bereich und sie arbeiten in einem hochkomplexen Gebiet«, sagte die DBfK-Präsidentin der »Rheinischen Post«. Das könne man nicht auf die Schnelle lernen. Bei Personalmangel sollte man deshalb zuerst versuchen, Personal mit der Zusatzausbildung beispielsweise über Zeitarbeitsfirmen oder den Freiwilligen-Pool zu bekommen.

Um freie Betten für Corona-Patienten sicherstellen zu können, fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft von Gesundheitsminister Spahn, eine neue bundesweite Pauschale für Kliniken. Eine solche Zahlung hatte es in der ersten Corona-Welle im Frühjahr gegeben. »Der Rettungsschirm sollte dringend wieder aufgespannt werden«, sagte Präsident Gerald Gaß der »Passauer Neuen Presse«. »Wenn wir unsere Intensivkapazitäten voll auslasten müssen, weil die Not so groß ist, werden wir die Regelversorgung für Nicht-Corona-Patienten wieder deutlich zurückführen müssen, wie wir es im Frühjahr bereits gemacht haben.«

Die Zahl der Intensivpatienten sei zuletzt sprunghaft angestiegen. »Wir werden den bisherigen Höchststand von 2800 noch in dieser Woche erreichen. Noch im November werden wir die Verdopplung dieser Zahl erleben«, sagte Gaß. Die Notwendigkeit zusätzlicher Notkrankenhäuser sehe er aber nicht. »Die Infrastruktur wird ausreichen, aber wir müssen den Regelbetrieb einschränken, um das Personal für die Behandlung von Covid-Patienten einsetzen zu können.«

Der bisherige Höchststand hatte bei 2933 am 18. April gelegen. Damals waren noch rund 3400 der Betten in den Kliniken als frei gemeldet.

Spahn hatte dem Gesundheitsbereich am Dienstag umfassende Unterstützung zugesichert. Die »Jahrhundertpandemie« erfordere besonders im Gesundheitswesen eine nationale Kraftanstrengung. »Keine Klinik soll wegen Corona wirtschaftlich benachteiligt sein«, sagte Spahn. (dpa)