LONDON. Nach der Ankündigung der Aufhebung aller Corona-Maßnahmen in England hat die britische Opposition die Krisenpolitik von Premierminister Boris Johnson scharf kritisiert.
Der Chef der Labour-Partei, Keir Starmer, machte den Regierungschef persönlich für den Anstieg der Neuinfektionen aufgrund der hoch ansteckenden Delta-Variante verantwortlich. »Machen wir uns klar, warum die Infektionsraten so hoch sind: Weil der Premierminister die Delta-Variante - wir können sie auch Johnson-Variante nennen - ins Land gelassen hat«, sagte Starmer im Parlament in London.
Die Opposition wirft Johnson vor, dass die Regierung Indien, wo die Delta-Variante zuerst entdeckt worden war, erst nach Wochen auf eine »rote Liste« von Risikogebieten gesetzt hat - weil er einen geplanten Indien-Besuch nicht habe absagen wollen. Johnson weist das zurück. Die Delta-Variante ist mittlerweile für fast alle Neuinfektionen im Vereinigten Königreich verantwortlich. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Menschen binnen einer Woche, stieg zuletzt auf etwa 245. In Deutschland liegt der Wert bei 5.
Bald 100.000 Neuinfektionen am Tag?
Starmer kritisierte Johnsons Öffnungspolitik erneut als »leichtsinnig«. Die Regierung schätzt, dass sich nach der Aufhebung aller Corona-Regeln bis zu 100.000 Menschen täglich mit dem Virus infizieren könnten. Wegen des Erfolgs der Impfkampagne rechnet die Regierung aber nicht mit einem massiven Anstieg der Todesfälle.
»Der Premierminister kann nicht die praktischen Probleme beiseite wischen, die 100.000 Infektionen täglich mit sich bringen«, sagte Starmer. Er warnte vor einem »chaotischen Sommer«, den Hunderttausende wegen Selbstisolation verpassen würden, und forderte, dass »grundlegende Schutzmaßnahmen« in Kraft bleiben müssten. Dazu gehörten eine Maskenpflicht im Nahverkehr, eine gute Nachverfolgung und Ausfallzahlungen für positiv Getestete in Selbstisolation.
Johnson hatte am Montag angekündigt, dass vom 19. Juli an in England alle Corona-Maßnahmen aufgehoben werden sollen. (dpa)