Ein russisches Gericht hat drei Anwälte des 2024 in Haft gestorbenen russischen Oppositionellen Alexej Nawalny zu langen Haftstrafen im Straflager verurteilt. Mehrere russische Medien meldeten aus dem Gericht der Stadt Petuschki östlich von Moskau, dass Nawalnys bekannter Verteidiger Wadim Kobsew zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt wurde.
Der Anwalt Alexej Lipzer erhielt eine Haftstrafe von fünf Jahren, Igor Sergunin dreieinhalb Jahre. Alle wurden demnach wegen angeblicher Mitarbeit in einer extremistischen Organisation verurteilt, wie das Portal »Sotavision« bei Telegram meldete.
Julia Nawalnaja, die Witwe des Kremlgegners, kritisierte das Urteil. Die Juristen seien politische Gefangene. Nawalnaja und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderten die Freilassung der Anwälte.
Richterin Julia Schilowa blieb demnach unter den Strafanträgen der Staatsanwaltschaft, die etwa für Sergunin fünfeinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Das Portal »Mediazona« berichtete von einem großen Andrang im Gericht, das den umstrittenen Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgezogen hatte. »Leute, ihr seid Helden! Wir sind stolz auf euch, ihr seid die besten Menschen in Russland!«, rief jemand laut »Mediazona« den Anwälten zu. Ein anderer schrie »Schande!«.
Auf Fotos war dichtes Gedränge in den Gängen des Gerichts zu sehen. »Sotavision« berichtete, dass sein Korrespondent zeitweilig von der Polizei festgehalten worden sei - unter dem Vorwand, er sehe einem gesuchten Dieb ähnlich. Auch andere Portale berichteten über Schikane gegen Prozessbeobachter, darunter Juristen, die sich mit den Angeklagten solidarisierten.
Verfahren gelten als politisch motiviert
Kommentatoren in Russland betonten, dass der als Justizwillkür eingestufte Prozess vor allem auch Menschenrechtsanwälte abschrecken soll, politische Verfahren anzunehmen. »Indem die russischen Behörden Anwälte verfolgen, nur weil diese ihre Arbeit machen, greifen sie die verbliebenen Reste des Rechtes auf einen fairen Prozess in Russland an«, sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.
Den Anwälten des Kremlgegners wird die Zugehörigkeit zu einer extremistischen Vereinigung zur Last gelegt - gemeint ist der von Nawalny gegründete Fonds zur Bekämpfung der Korruption. Die Juristen sollen verbotene Botschaften ihres Mandanten aus der Haft an die Öffentlichkeit gebracht haben.
Die Bundesregierung erklärte, die Verurteilung sei »in diesem System der Repression keine Überraschung, aber leider ein weiterer trauriger Tiefpunkt«. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts erinnerte in Berlin an den Tod Nawalnys, für den sie die russischen Behörden verantwortlich machte. »Die politisch motivierten Verfahren gegen Alexej Nawalny sowie gegen zahlreiche Kritiker der russischen Regierung und die unmenschlichen Haftbedingungen zeigen, wie brutal die russische Regierung und Justiz gegen Andersdenkende vorgeht.«
Der Prozess hatte im September 2024 begonnen. Die Verteidiger waren im Oktober 2023 festgenommen worden, als noch Prozesse gegen Nawalny liefen. Die Verfahren gelten als politisch motiviert.
Nawalnys Team im Exil im Ausland teilte mit, es sei wohl kein Zufall, dass das Urteil gegen die Anwälte am Jahrestag der Rückkehr des Gegners von Kremlchef Wladimir Putin nach Russland gefallen sei. Nawalny war am 17. Januar 2021 nach seiner Behandlung in Deutschland wegen eines Giftanschlags mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok nach Russland zurückkehrt. Er starb im Straflager im Februar vorigen Jahres unter unklaren Umständen. Seine Angehörigen werfen Putin Mord vor.
© dpa-infocom, dpa:250117-930-347061/3