BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Menschen in Deutschland auf schwierige Zeiten wegen der bislang nicht zu stoppenden Corona-Pandemie eingestimmt.
»Man muss damit rechnen, dass manches in den nächsten Monaten noch schwieriger wird als im Sommer«, sagte die CDU-Politikerin am Freitag in der Bundespressekonferenz in Berlin. Merkel erneuerte ihre Mahnung vom März: »Es bleibt dabei: Es ist ernst, unverändert ernst - und nehmen Sie es auch weiterhin ernst.« Die Kanzlerin nannte das Corona-Virus eine »demokratische Zumutung«.
Alle hätten im Sommer durch das »Leben draußen« Freiheiten und einen relativen Schutz vor Aerosolen, die das Virus übertragen könnten, genossen, sagte Merkel in ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz. »In den nächsten Monaten wird es jetzt darauf ankommen, die Infektionszahlen niedrig zu halten, wenn wir uns wieder drinnen aufhalten - an Arbeitsplätzen, in Schulen und in Wohnungen«, sagte Merkel. Weltweit arbeiteten Forscher auf Medikamente und einen Impfstoff hin, aber noch sei beides nicht gefunden. So lange dies so sei, gelte: »Es wird nicht so wie früher.«
"Wir werden noch länger mit diesem Virus leben müssen, und deshalb ist meine Grundhaltung eine der Wachsamkeit, der Aufmerksamkeit, sagte Merkel. In den kommenden Monaten gebe es drei Schwerpunkte: Zum einen müsse alles dafür getan werden, damit die Kinder nicht die Opfer der Pandemie werden. Zum anderen müsse die Wirtschaft am Laufen gehalten oder wieder zum Laufen gebracht werden. Und schließlich gehe es darum, "den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft so weit wie möglich zu bewahren".
Die Pandemie führe für manche Bevölkerungsgruppen zu »großen Härten«, die abgefedert müssten. »Sie macht ganze Gruppen der Bevölkerung besonders verwundbar.« Die Kanzlerin nannte ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige, Familien mit Kindern in beengten Wohnverhältnissen, Studierende, die ihren Nebenjob verlören, Arbeitsuchende, Kleinunternehmer sowie Künstler. »Auf sie alle müssen wir besonders achten«, betonte die Kanzlerin.
Sie bedankte sich ausdrücklich bei den Bürgern für ihr umsichtiges Verhalten in der Corona-Krise. Schlimme Erfahrungen wie in anderen Staaten seien Deutschland bisher erspart geblieben. Das liege am - auch in der Fläche - gut aufgestellten Gesundheitssystem hierzulande. Die vergleichsweise günstige Entwicklung habe es aber vor allem gegeben, »weil die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland Vernunft, Verantwortungsbewusstsein und Mitmenschlichkeit gezeigt hat«. Merkel sagte: »Ich werde für diese millionenfache Reaktion der Menschen immer dankbar sein.«
Merkel ging davon aus, dass der Klimaschutz in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen wird. »Wir werden auch aus sehr faktischen Gründen unsere Anstrengungen hier in den nächsten Jahren sicherlich eher beschleunigen als verlangsamen.« Es sei zu sehen, dass die Klimaveränderungen Lebensgrundlagen bedrohten. Konkret gelte es, in Deutschland die Klimaschutzprogramme umzusetzen und in der EU eine einheitliche Linie zu schaffen, sagte die Kanzlerin. Dazu gehöre, das Klimaschutz-Ziel der EU für 2030 festzulegen. Sie unterstütze das Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, also unterm Strich keine Treibhausgase mehr auszustoßen. »Das ist eine sehr ambitionierte Aufgabe, die noch sehr viele Veränderungen von uns abverlangen wird.«
Im außenpolitischen Teil wurde Merkel unter anderem nach dem Streit um den Konflikt im östlichen Mittelmeer zwischen Griechenland und der Türkei gefragt. Sie warb für einen Dialog. Die EU-Staaten müssten die Argumente der Athener Regierung ernst nehmen und Griechenland dort unterstützen, wo die dortige Regierung recht habe. »Dennoch habe ich mich immer wieder dafür eingesetzt, dass es zu keinen weiteren Eskalationen kommt.« Es seien Gespräche über die Aufteilung der Wirtschaftszonen in dem Seegebiet nötig. Merkel erinnerte daran, dass es bei der Türkei und Griechenland um einen Konflikt zwischen Nato-Partnern gehe. »Das kann uns ja nicht kalt lassen.«
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahl in den USA betonte Merkel, sie werde mit jedem gewählten Präsidenten der USA zusammenarbeiten. »Dass es hier und da Meinungsverschiedenheiten gibt, liegt in der Natur der Sache«, sagte die Kanzlerin zum angespannten Verhältnis mit der US-Regierung von Präsident Donald Trump. Es gebe aber auch Gemeinsamkeiten, beispielsweise im Verteidigungsbündnis Nato.
Beim Konflikt in Belarus warnte Merkel vor einer Einmischung von außen. Zur Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, eine Eingreiftruppe für den belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko bereitzuhalten, sagte sie: »Ich hoffe, dass eine solche Truppe nicht zum Einsatz kommt.« Den Menschen, die in Belarus mutig auf die Straße gingen, müsse Demonstrations- und Meinungsfreiheit gewährt werden. »Das sollen sie eigenständig, ohne Einmischung von außen aus jeder Richtung auch realisieren können. Das ist unser Wunsch.«
Merkel kritisierte auch das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Belarus gegen Journalisten. Nach Angaben des dortigen Journalistenverbandes waren etwa 50 Medienvertreter bei den Protesten vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen worden. Man werde Belarus mitteilen, »dass wir das nicht akzeptabel finden«, betonte Merkel. (dpa)