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Mehrheit für Ende von Corona-Ausnahmezustand

Die Mehrheit der Deutschen ist für ein Ende des bundesweiten Corona-Ausnahmezustands, aber auch für ein Beibehalten von Schutzmaßnahmen. Gesundheitsminister Spahn weist darauf hin, dass dies weiterhin nötig und auch rechtlich möglich ist.

Lockdown
»Lockdown« steht im Schaufenster eines geschlossenen Kaufhauses. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
»Lockdown« steht im Schaufenster eines geschlossenen Kaufhauses. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

BERLIN. Die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet einer Umfrage zufolge ein Auslaufen des seit eineinhalb Jahren geltenden bundesweiten Corona-Ausnahmezustands im November - spricht sich aber gleichzeitig auch dafür aus, Schutzmaßnahmen weiter aufrechtzuerhalten.

Der entsprechende Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für ein Ende der sogenannten epidemischen Lage nationaler Tragweite wird in der Politik weiter kontrovers diskutiert. Spahn selbst verweist auf die Möglichkeit, dass auf Landesebene auch künftig Schutzmaßnahmen angeordnet werden können. Aus den Bundesländern kommen Forderungen nach Übergangsfristen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete 17.015 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages (Vorwoche 11.903) und 92 Todesfälle (Vorwoche ebenfalls 92). Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 80,4 (Vortag 75,1, Vorwoche 65,4. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Dienstag mit 2,13 an (Montag 1,92).

57 Prozent der Deutschen würden es laut einer repräsentativen Yougov-Befragung befürworten, wenn die »epidemische Lage nationaler Tragweite« ab Ende November unter fortbestehender Einhaltung von 3G-, Hygiene- und Abstandsregeln nicht mehr verlängert würde. 27 Prozent würden das ablehnen, 16 Prozent machten keine Angabe.

Die »epidemische Lage« war erstmals im März 2020 vom Bundestag festgestellt worden und wurde seitdem immer wieder durch das Parlament verlängert. Laut Infektionsschutzgesetz liegt eine solche Lage dann vor, »wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht«. Die Feststellung der Notlage ermöglicht es der Bundesregierung und den Landesregierungen auf vereinfachtem Weg ohne Zustimmung von Parlamenten zentrale Corona-Maßnahmen anzuordnen.

Spahn, der sich dafür ausgesprochen hatte, dass der Bundestag diesen Ausnahmezustand über den 25. November hinaus nicht noch einmal verlängert, machte in einem am Mittwoch bekanntgewordenen Brief an die Spitzen der voraussichtlichen Ampel-Koalition deutlich, dass er es dennoch für »unbedingt erforderlich« hält, dass Maßnahmen auf Landesebene und regional weiter angeordnet werden können. Der CDU-Politiker zeigte verschiedene rechtliche Möglichkeiten dafür auf.

Entweder könnte Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes, in dem die bekannten Corona-Maßnahmen aufgelistet werden, geändert werden, so dass die Maßnahmen nicht mehr an das Bestehen einer bundesweiten »epidemischen Lage« geknüpft werden. Damit hätten die Landesregierungen freie Hand, ihre Corona-Verordnungen wie bisher regelmäßig fortzuschreiben. Alternativ könnten die Bundesländer aber auch über ihre Landesparlamente die weitere Anwendbarkeit dieser Maßnahmen feststellen lassen - das wäre dann eine Art »epidemische Lage« auf Landesebene, damit Masken, 3G oder andere Maßnahmen weiter angeordnet werden können. Diese Möglichkeit sieht das Infektionsschutzgesetz ausdrücklich vor.

Spahn rief die Ampel-Parteien zu einer Verständigung bei dem Thema auf. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, reagierte mit Kritik: Der Gesundheitsminister habe noch Ende August für eine Verlängerung der epidemischen Lage geworben, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. »Jetzt gibt er sich geläutert und verteilt ungefragt Ratschläge. Das ist wenig glaubhaft und auch nicht hilfreich.« Die FDP spricht sich schon länger für ein Ende des bundesweiten Ausnahmezustands aus.

Dafür wäre auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund: Die Corona-Notlage nach bald zwei Jahren Pandemie weiter fortzuschreiben, hielte er für falsch, sagte Verbandshauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der »Rheinischen Post«. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste widersprach. »Wir raten dringend davon ab«, sagte Präsident Bernd Meurer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er verwies auf hohe Inzidenzen bei über 80-Jährigen. Zum Schutz dieser besonders vulnerablen Gruppe fordere man eine Verlängerung der entsprechenden Regelungen.

Berlins scheidender Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte im RBB-Inforadio: »Wir brauchen mindestens eine Übergangszeit«. Er könne sich einen längeren Zeitraum für das Ende des Notstands vorstellen, bis sich die epidemische Lage tatsächlich entspanne. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) wünscht sich vom Bund eine »geordnete, einheitliche Übergangsregelung«. Niemand wolle nach dem Ende der bundesweiten Corona-Notlage einen Flickenteppich in Deutschland, sagte Hoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. (dpa)