WIEN. In Österreich haben am Samstag mehrere Tausend Menschen gegen die geplanten Corona-Maßnahmen protestiert. Nach Schätzungen der Polizei kamen in Wien am frühen Nachmittag rund 7000 Menschen zu einer Kundgebung.
Die Teilnehmer kritisierten den ab Montag verfügten Lockdown sowie die ab 2022 geltende Corona-Impflicht als Zwangsmaßnahmen. Immer wieder wurde »Freiheit« skandiert. Viele Demonstranten trugen keine FFP2-Masken und verstießen damit gegen die Auflagen. Die Polizei, die mit 1300 Beamten im Einsatz war, hielt sich aber weitgehend zurück. »Es gibt bisher keine nennenswerten Zwischenfälle«, sagte ein Polizeisprecher am Nachmittag. Die Lage sei aber dynamisch. Die Behörden gingen davon aus, dass sich der Zulauf noch verstärkt.
Zu den Demonstrationen hatte unter anderem die rechte FPÖ aufgerufen. Deren Parteichef Herbert Kickl, derzeit selbst an Corona erkrankt, sieht Österreich auf dem Weg in eine »Diktatur«.
Die österreichische Regierung hatte wegen der massiven vierten Corona-Welle einen Lockdown für alle ab Montag angekündigt. Während die Ausgangsbeschränkungen für Geimpfte und Genesene am 13. Dezember enden sollen, ist der Lockdown für Ungeimpfte unbefristet. Außerdem wird Österreich als erstes Land in der EU im Februar 2022 eine Corona-Impfpflicht einführen.
Kanzler entschuldigt sich bei Geimpften
Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) nannte am Freitagabend keine Frist für die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen für diese Gruppe. »Wir haben da kein Enddatum«, sagte Schallenberg in der ORF-Nachrichtensendung »ZiB2« auf eine entsprechende Frage. Es müsse jetzt endlich gelingen, die Impfquote so weit nach oben zu treiben, dass die Pandemie eingedämmt und künftig kein Lockdown mehr nötig sein werde, sagte der Regierungschef. Er forderte die Ungeimpften auf, von dem Impfangebot nun Gebrauch zu machen.
Zugleich entschuldige er sich bei den Geimpften für den einschneidenden Schritt der ab Montag geltenden Ausgangsbeschränkungen. Er finde es sehr schwer erträglich, dass man von denen, die alles richtig gemacht hätten, jetzt diesen Akt der Solidarität einfordern müsse, sagte Schallenberg.
Die Details der von der Regierung ebenfalls beschlossenen Impfpflicht ab Februar 2022 würden nun von den Experten ausgearbeitet. Welche Ausnahmen es gebe und wie hoch die Strafen bei Verstößen sein sollen, das werde nun erst festgelegt, sagte der Regierungschef.
Bundespräsident mahnt zur Einsicht
Unterdessen hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen angesichts der Debatten über den neuen Lockdown vor einem Riss in der Gesellschaft gewarnt. »Lassen wir uns nicht auseinander dividieren«, sagte Van der Bellen in einer Fernsehansprache am Freitagabend. Die Reaktionen sollten nicht von Wut, Schmerz und Ärger beherrscht sein, sondern von der Einsicht, dass nur Ausgangsbeschränkungen die massive vierte Corona-Welle brechen könnten. Das Staatsoberhaupt verteidigte ausdrücklich auch die von der Regierung angekündigte Impfpflicht. Die Bürger hätten Rechte, aber auch Pflichten. Dazu gehöre die Pflicht, die Gemeinschaft zu schützen, sagte Van der Bellen.
Österreich hat durch die täglichen Rekordzahlen an Corona-Neuinfektionen inzwischen eine Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner von 1050. (dpa)