BRÜSSEL. Im endlosen Brexit-Streit wollen der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in einem Telefonat heute einen Ausweg suchen.
Die Lage ist verfahren, denn eine von Johnson gesetzte Frist zur Einigung läuft bereits am Donnerstag aus. Doch ein Durchbruch ist nicht absehbar.
Die Europäische Union und Großbritannien wollen noch vor Jahresende einen Handelspakt schließen, um Zölle und Handelshemmnisse abzuwenden. Dann läuft die Übergangszeit nach dem britischen EU-Austritt aus. Beide Seiten bekunden Interesse an dem Pakt. Doch auch viereinhalb Jahre nach der britischen Entscheidung für den Brexit und zweieinhalb Monate vor dem endgültigen wirtschaftlichen Bruch kommen die Unterhändler bei den wichtigsten Streitfragen nicht voran.
Nachdem es zunächst etwas versöhnlichere Töne gegeben hatte, verschärfte Premier Johnson seinen Ton wieder: Sollte kein Handelspakt mit der EU ab 2021 zustande kommen, müsse sich Großbritannien nicht fürchten. Die Gespräche seien in einem kritischen Stadium, sagte er seinem Kabinett.
Der irische Außenminister Simon Coveney sagte, er erwarte »keinen großen Durchbruch« beim EU-Gipfel am Donnerstag. Johnsons Plan, Teile des bereits gültigen Scheidungsabkommens mit der EU zu zerreißen und internationales Recht zu brechen, müsse unterbunden werden, falls die EU den Handelspakt unterstützen solle.
Coveney spielte damit auf das sogenannte Binnenmarktgesetz an, mit dem Johnson Teile des Brexit-Deals wieder aufbohren will. Dabei geht es ausgerechnet um die heikelsten Passagen des Abkommens: die Vermeidung einer harten Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland. Darauf reagierten EU-Politiker empört.
Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, hält einen Brexit-Handelspakt für das »beste Ergebnis« nach dem Ende der Übergangsphase - und zwar sowohl für Großbritannien als auch für die EU, wie der Notenbankchef einem Komitee des Oberhauses sagte.
Nach wie vor gibt es drei zentrale Streitpunkte: den künftigen Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern; die Forderung der EU nach gleichen Wettbewerbsbedingungen, also gleichen Sozial-, Umwelt- und Beihilfestandards, im Gegenzug für weiteren Zugang zum EU-Binnenmarkt; und ein Streitschlichtungsmechanismus bei Verstößen gegen das Abkommen. EU-Vertreter hatten am Dienstag klar gemacht, dass sie in allen Punkten auf britischer Seite Bewegung erwarten. (dpa)