Julian Assange darf wieder hoffen: Der Wikileaks-Gründer kann gegen seine drohende Auslieferung an die USA noch einmal Berufung einlegen. Der Londoner High Court gab dem Antrag des gebürtigen Australiers teilweise statt. Damit ist eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die USA zunächst abgewendet. Seine Ehefrau Stella Assange sprach von einem Wendepunkt und forderte die USA auf, das Verfahren umgehend einzustellen.
Assanges Team zeigte sich erleichtert. »Das ist ein Sieg«, sagte der aktuelle Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson der Deutschen Presse-Agentur nach dem Urteil. Vor dem Gericht jubelten zahlreiche Anhänger von Assange, im Saal umarmten sich seine Anwälte. Sie hatten zuvor die Richter in einer knapp zweistündigen Anhörung davon überzeugt, dass der Australier seine Argumente in einem vollen Berufungsverfahren darlegen darf. Ein Termin dafür steht noch nicht fest, es dürfte aber nach Ansicht von Kommentatoren noch einige Monate dauern.
Am High Court stand die Frage im Mittelpunkt, ob sich Assange in den USA als ausländischer Staatsbürger auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen kann. Die Richter hatten die Entscheidung Ende März zunächst vertagt und Zusicherungen aus den USA gefordert. Diese überzeugten das Gericht jedoch zunächst nicht.
Assange drohen bei Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft
Die US-Regierung will dem Australier wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Die US-Regierung wirft ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington.
Assanges Team warnt, der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers sei schlecht. Deshalb habe er nicht persönlich an dem Gerichtstermin teilgenommen. Stella Assange, die ebenso wie sein Vater John Shipton im Gerichtssaal der Anhörung folgte, fürchtet wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Sie forderte US-Präsident Joe Biden auf, die Anklage fallenzulassen. »Hören Sie einfach auf mit diesem beschämenden Angriff auf Journalisten, die Presse und die Öffentlichkeit, der seit 14 Jahren andauert«, sagte sie nach der Gerichtsentscheidung.
Hoffen auf politische Lösung
Assanges Unterstützer dürften ihre Hoffnungen auch auf eine politische Lösung setzen. Die australische Regierung fordert inzwischen die Freilassung ihres Staatsbürgers. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit ziehe sich schon zu lange hin.
US-Präsident Biden hatte kürzlich etwas Hoffnung geweckt. Da sagte er auf die Frage, ob die USA ein australisches Ersuchen prüfen wollten, die Strafverfolgung gegen Assange einzustellen: »Wir erwägen das.« Albanese nannte die Äußerung »ermutigend«. Gemunkelt wird, die Regierung in Washington könne womöglich kurz vor der Präsidentschaftswahl gar nicht erpicht auf eine baldige Auslieferung und einen Assange-Prozess in den USA sein.
Fall zieht sich schon seit mehr als zehn Jahren hin
Assange sitzt seit etwa fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Er sitzt inzwischen ohne eine Verurteilung im Gefängnis. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern Assanges sofortige Freilassung.
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