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Haushaltsstreit: FDP-Kritik an »Schuldenpopulismus«

Viel Zeit bleibt nicht für die Haushaltsverhandlungen. Doch die Regierungsparteien pochen auf Grundsatzpositionen und gehen sichtlich in die Konfrontation.

Bijan Djir-Sarai
»Der Schuldenpopulismus der SPD vor allem ist an der Stelle auch gefährlich für die Zukunft und Entwicklung unseres Landes«: Bijan Djir-Sarai, FDP Generalsekretär. Foto: Michael Kappeler/DPA
»Der Schuldenpopulismus der SPD vor allem ist an der Stelle auch gefährlich für die Zukunft und Entwicklung unseres Landes«: Bijan Djir-Sarai, FDP Generalsekretär.
Foto: Michael Kappeler/DPA

Im schärfer werdenden Haushaltsstreit der Ampelparteien pocht die FDP von Bundesfinanzminister Christian Lindner auf ihr Nein zu einer erneuten Aussetzung der Schuldenbremse und geht zugleich deutlicher auf Konfrontation zur SPD. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnte den größeren Koalitionspartner in Berlin vor Schritten, die toxisch für den Wohlstand in Deutschland seien. »Der Schuldenpopulismus der SPD vor allem ist an der Stelle auch gefährlich für die Zukunft und Entwicklung unseres Landes«, sagte Djir-Sarai nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei.

SPD besteht auf mehr Schuldenspielraum

Dagegen besteht die SPD auf einem größeren Spielraum bei neuen Schulden. Der Krieg gegen die Ukraine stelle »eine Notlage dar, die wir nicht aus einem Normalhaushalt bewältigen können, ohne in schmerzhafter Art und Weise unsere Aufgaben zu vernachlässigen«, sagte Parteichefin Saskia Esken nach der SPD-Präsidiumssitzung. Und: »Es ist ganz klar, dass wir als SPD nicht dazu bereit sind, unsere Solidarität mit der Ukraine gegen den Fortbestand unserer Solidarität mit der eigenen Bevölkerung ausspielen zu lassen.« Daher appelliere sie daran, keine Option vorschnell vom Tisch zu nehmen, auch eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse nicht.

In der Bundesregierung laufen derzeit Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025. Es müssen Milliardenlöcher gestopft werden. Mehrere Ressorts wollen Lindners Sparvorgaben nicht einhalten. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vorgesehene Einsparungen für den Haushalt verteidigt. Zur Frage einer Notlage wegen des Ukraine-Krieges sagte er zuletzt, es gehe jetzt darum, »erst mal seine Hausarbeiten zu machen und Stück für Stück jeden einzelnen Haushaltsposten durchzugehen und nicht irgendwie sich den bequemen Ausweg zu suchen«.

Kanzler stellt Entlastungen für Wirtschaft in Aussicht

Am Montag stellte der Kanzler Entlastungen für die Wirtschaft in Aussicht. Die Bundesregierung wolle private Investitionen fördern, sagte der SPD-Politiker beim Tag der Industrie in Berlin.»Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Sachen Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe drauflegen auf das, was uns mit dem Wachstumschancengesetz gelungen ist.« Dafür sei aber auch die Zustimmung der Länder notwendig. Das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung mit Entlastungen für Firmen war nach einem Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag vom Volumen her deutlich geringer ausgefallen als geplant.

Scholz sagte auf die Frage, ob sich die Koalition auf einen Entwurf zum Haushalt 2025 einige: »Ja.« Es sehe sehr danach aus. Der Entwurf solle im Juli vom Kabinett beschlossen werden. »Zukunftsinvestitionen« für Deutschland würden auch im nächsten Jahr hohe Priorität haben. Er sagte weiter mit Blick auf Energiepreise und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, ihm sei bewusst, dass die Transformation wegen eines unterschiedlichen Niveaus der Energiepreise weltweit eine Herausforderung für den Standort Deutschland darstelle.

Lindner sieht sich in Sparkurs bestätigt

Lindner sieht sich unterdessen durch die Sommerinterviews von Scholz und Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) in seinem Sparkurs bestätigt. »Die Schuldenbremse gilt, und wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Und das bedeutet unter anderem, dass mehr Menschen, die arbeiten könnten, auch arbeiten, statt Bürgergeld zu beziehen. Und da müssen wir an den Gesetzen noch mal arbeiten, müssen sie anschärfen«, sagte Lindner dem Nachrichtensender Welt TV.

Er unterstützte die Forderung der Jungen Gruppe der FDP-Fraktion im Bundestag, Investitionen in Bildung durch Sparmaßnahmen an anderer Stelle sicherzustellen. »Die Schuldenbremse ist keine «Wäre-schön-wenn»-Option, sondern im Grundgesetz verbriefte Generationengerechtigkeit. Allen muss klar sein: Ohne Schuldenbremse, ohne uns«, hatte der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Jens Teutrine, der »Bild«-Zeitung (Montag) gesagt. Die Gruppe umfasst rund ein Drittel der 91 FDP-Bundestagsabgeordneten.

Drei Leitlinien der Grünen

»Wir führen diese Verhandlungen nicht auf offener Bühne«, sagte die Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang, nach einer Sitzung des Bundesvorstands ihrer Partei. Dabei gebe es für die Grünen drei Leitlinien: Erstens, »dass wir uns in einer Zeit der globalen Bedrohung außenpolitisch gut und sicher aufstellen«. Zweitens gelte, »wir wollen keinen Sparhaushalt, der uns beim Klimaschutz zurückwirft«. Außerdem müsse der innere Zusammenhalt gestärkt werden, betonte die Co-Vorsitzende. Dabei gehe es nicht nur um Armutsbekämpfung, sondern auch um Menschen mit mittleren Einkommen und bezahlbaren Wohnraum für junge Familien. »Für uns ist klar, wir werden den Sozialstaat verteidigen.«

Linke Sozialdemokraten des Forums »Forum DL21« brachten beim SPD-Vorstand ein Mitgliederbegehren zu den Haushaltsverhandlungen auf den Weg. Der Co-Vorsitzende des Forums, Erik von Malottki, sagte dem »Tagesspiegel« (Montag): »Wir wollen in erster Linie, dass ein Haushalt auf den Weg gebracht wird, der nicht bei breiten Teilen der Bevölkerung für schlechtere Bedingungen sorgt. Zum Beispiel durch Kürzungen bei den Kitas oder bei der Rente.« Malottki betonte zugleich: »Wir wollen keinen Koalitionsbruch.«

© dpa-infocom, dpa:240624-99-511139/4