CARBIS BAY. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie stellt die G7-Gruppe ärmeren Ländern mindestens eine Milliarde Dosen Impfstoff zur Verfügung.
Dies geschehe bis Juni 2022 sowohl über Spenden als auch über Zahlungen an das internationale Impfprogramm Covax, sagte der britische Premierminister Boris Johnson am Sonntag nach dem Abschluss des Treffens im englischen Carbis Bay.
Im Abschlusskommuniqué heißt es, dass es Zusagen über 870 Millionen Impfdosen gebe, die möglichst schnell und zur Hälfte bis Jahresende vor allem über die internationale Impfplattform Covax an die bedürftigsten Länder ausgeliefert werden sollen. Seit dem virtuellen G7-Treffen im Februar seien ferner Milliarden an Finanzzusagen zum Kauf von Impfdosen gemacht worden, heißt es weiter.
Mit den direkten Spenden und den Finanzzusagen kommen laut Abschlusserklärung seit Beginn der Pandemie mehr als zwei Milliarden Impfdosen der G7 für die Verteilung zusammen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte am Vortag von 2,3 Milliarden Impfdosen gesprochen. Hingegen hält die Weltgesundheitsorganisation (WHO) elf Milliarden für notwendig.
Nach Angaben von Merkel zeichnet Deutschland für die Verteilung von 350 Millionen Dosen verantwortlich. Dazu gehörten 30 Millionen Dosen, die Deutschland bestellt habe und weitergeben werde. »Das werden vermutlich im Laufe der Zeit noch mehr«, sagte Merkel. Sie verwies auf Lieferprobleme der Impfstoffhersteller.
Da die reichen Länder den Markt leergekauft haben und Indien wegen der schlimmen Infektionswelle im eigenen Land einen Exportstopp verhängt hat, kann die internationale Impfplattform Covax trotz der gemachten Finanzzusagen nicht genug Impfstoffe besorgen, um sie an arme Länder zu verteilen. Covax hatte bis Sonntag erst 83 Millionen Impfdosen an 131 Länder ausgeliefert.
Zu den G7-Staaten gehören neben Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada. Für die Staatengruppe markiert der Gipfel in Cornwall einen Neustart nach der Ära von US-Präsident Donald Trump, in der dessen Abschottungspolitik die Gruppe an den Rand der Spaltung brachte. Nun wollen die USA und die anderen großen westlichen Demokratien wieder an einem Strang ziehen. US-Präsident Biden will die Staatengruppe vor allem durch eine harte Abgrenzung zu autoritären Staaten wie Russland und China zusammenschweißen.
Überraschend deutliche Kritik an China
Merkel will einen Konfrontationskurs dagegen vermeiden. Im Entwurf für die Abschlusserklärung wird dieser Haltung entsprochen, indem auch gemeinsame Interessen an einer Kooperation mit China bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität hervorgehoben wird. Es ist allerdings das erste Mal, dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué der G7 so deutlich formuliert wird.
So wollen sich die G7-Staaten im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft »über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben«, heißt es in dem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Über die China-Passage gibt es nach dpa-Informationen bereits eine abschließende Einigung. Die gesamte Erklärung soll am Nachmittag verabschiedet werden.
China soll Menschenrechte achten
Auch wollen die G7-Staaten »unsere gemeinsamen Werte fördern«. Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, »besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist«.
Damit bezieht sich die G7 auf die Vereinbarungen für die Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China, die der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion eigentlich Autonomie und Freiheiten nach dem Motto »ein Land, zwei Systeme« garantieren. Nach anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in Hongkong hat Peking vor einem Jahr aber die Zügel enger gezogen und geht heute mit einem neuen Sicherheitsgesetz scharf gegen Oppositionskräfte vor.
Der Hinweis auf Xinjiang in dem G7-Papier bezieht sich auf den Vorwurf der Verfolgung der Minderheiten in der Nordwestregion, insbesondere der Uiguren. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder Mitglieder anderer Minoritäten in Umerziehungslager gesteckt worden sind. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildungszentren.
Mit ihren Beratungen zum Klimaschutz bereiteten sich die Staats- und Regierungschefs auf die UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow im November vor. Sie stellten neue Anstrengungen in Aussicht, konnten sich aber nicht auf ein spezifisches Datum zum Ausstieg aus der Kohle einigen, wie Kanzlerin Merkel sagte. Das habe nicht an Deutschland gelegen, »andere haben da noch die Pläne nicht so weit verifiziert«. Die Beschlüsse nannte sie trotzdem ein »starkes Bekenntnis«.
»Konkrete Maßnahmen« gegen Klimawandel
Die G7-Staaten bekräftigten die Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um etwa die Hälfte gegenüber 2010 zu verringern. Alle G7-Staaten bekannten sich auch erstmals dazu, die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen. Das bedeutet, dass kein Kohlendioxid ausgestoßen wird oder CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden.
Neue direkte Subventionen für fossile Energie sollen zudem auslaufen - damit wiederholten sie früher gemachte Zusagen. Hier sollen aber begrenzte Ausnahmen erlaubt werden. Auch Investitionen in Kohlekraftwerke sollen enden. Die G7-Staaten bekräftigten ferner ihre alte Zusage, für arme Ländern 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu mobilisieren. Damit sollen ärmere Staaten ihren Klimaschutz ausbauen und sich widerstandsfähiger gegen Auswirkungen wie Wetterextreme machen. Die Klimahilfen erreichen laut Oxfam bisher nur 39 Milliarden US-Dollar.
Das Pariser Klimaabkommen will die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Doch schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt. Die fatalen Folgen: Je nach Region gibt es mehr Hitzewellen und Dürren sowie starken Regen, Stürme, Unwetter und Überschwemmungen. (dpa)