ISTANBUL. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit der Türkei mit Deutschland weiter auszubauen. Denn dabei erwerbe man mehr als reine Fachkenntnis.
Es gebe auch einen kulturellen Austausch, der für beide Länder bereichernd sei, sagte Merkel bei der Einweihung eines neuen Campus' der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul. Gleichzeitig unterstrich sie die Bedeutung der Freiheit von Wissenschaft und Bildung.
Bildung sei gerade auch für Flüchtlinge »besonders kostbar«, sagte Merkel, die von ihrem Gastgeber, Präsident Recep Tayyip Erdogan, als »geschätzte Freundin« betont herzlich empfangen worden war. Damit könnten sie bei einer Rückkehr beim Wiederaufbau ihres Landes helfen. Andererseits sei Bildung eine wichtige Voraussetzung für die Integration in den Aufnahmestaaten. Die Türkei beherbergt Millionen syrische Flüchtlinge, die auch Gegenstand eines Paktes zwischen EU und Türkei sind. Zum Abschluss ihrer Rede nannte die Kanzlerin die gemeinsame Universität in Istanbul ein Juwel in den Beziehungen der beiden Länder und ein Glück für beide Gesellschaften.
Es war ein positiver Auftakt der Begegnung zwischen Merkel und Erdogan. Die Kanzlerin war in der Nacht zuvor für einen eintägigen Besuch angereist. Zuletzt hatten sich die beiden am vergangenen Sonntag bei der Berliner Libyen-Konferenz gesehen. Nach dem Termin an der Universität wollen sie zu politischen Gesprächen zusammenkommen. Die Themen sind divers - und viele sind konfliktbeladen. Unter anderem soll es neben den bilateralen Punkten um die eingefrorenen EU-Beitrittsgespräche gehen sowie um die Krisen in Libyen und Syrien. Und auch der fragile EU-Flüchtlingspakt dürfte zum Thema werden.
Die Lage auf den griechischen Inseln hat sich wegen überfüllter Flüchtlingsunterkünfte zuletzt zugespitzt - auch, weil trotz Flüchtlingspakt aus der Türkei wieder mehr Boote mit Migranten Richtung Europa abgelegt haben. Erdogan hat in der Vergangenheit wiederholt gedroht, die Grenzen zu öffnen, sollte er nicht mehr Hilfe bekommen für die Millionen Flüchtlinge in seinem Land. Gleichzeitig fliehen wegen syrischer und russischer Bombardements in der syrischen Rebellenhochburg Idlib weiter viele Menschen auch Richtung türkische Grenze - was die Sorgen in der Türkei und Europa erhöht.
Im Bürgerkrieg in Libyen hat Berlin die Rolle eines Vermittlers übernommen. Erdogan dankte Merkel in Istanbul für die Ausrichtung der Konferenz und sagte, die Türkei werde den Berliner Prozess weiter unterstützen. Er mahnte aber auch, dass das »Chaos-Klima« in Libyen das ganze Mittelmeergebiet beeinflussen werde, sollte nicht so bald wie möglich Ruhe geschaffen werden. »Wenn wir nicht wollen, dass Terrororganisationen wie der IS und Al-Kaida sowie Legionäre in diesem Land erneut erstarken, müssen wir den Lösungsprozess beschleunigen.« Er betrachte Deutschland da als »Freund und Partner«.
Die Türkei ist allerdings Teil des Problems. Beide Regierungen setzen sich für einen Waffenstillstand ein, aber die Türkei schlägt sich klar auf eine Seite im Bürgerkrieg und hat jüngst eigene Soldaten nach Libyen entsandt. Das hatte angesichts der Einmischung auch anderer regionaler Akteure die Sorgen vor einem Stellvertreterkrieg verschärft und zu einer Serie internationaler Krisentreffen geführt.
Gleichzeitig liegt die Türkei unter anderem wegen ihrer aggressiven Energiepolitik im Mittelmeer mit EU-Staaten wie Zypern und Griechenland über Kreuz. Es geht da beispielsweise um ein hoch umstrittenes Seegrenzen-Abkommen mit Libyen, über das die Türkei sich Zugriff auf Erdgasvorkommen verschaffen will. Gleichzeitig sucht die Türkei vor Zypern ohne die Erlaubnis der Regierung in Nikosia weiter nach Erdgas. Einen Tag vor dem Türkei-Besuch der Kanzlerin hatte der zyprische Präsident Nikos Anastasiades sie in einem Telefonat um Vermittlung gebeten.
In den deutsch-türkischen Beziehungen herrscht keine Eiszeit mehr wie noch 2017 und teilweise 2018. Dennoch überschatten auch bei den bilateralen Themen immer wieder Krisen die Dialoge.
Die Affäre um den inhaftierten türkischen Kooperationsanwalt der deutschen Botschaft in Ankara hat zum Jahresende die Beziehungen erneut belastet. Die türkische Regierung wirft ihm Spionage vor. Es wird vermutet, dass der Jurist Daten von Menschen aus der Türkei bei sich hatte, die in Deutschland Asyl beantragt haben und die nun der Türkei in die Hände gefallen sind. Der Mann war bereits im September festgenommen worden und sitzt trotz Drängens aus dem Außenministerium in Berlin weiter in U-Haft.
Dass weiter Deutsche vor allem mit türkischen Wurzeln bei der Einreise in die Türkei festgenommen, abgewiesen oder unter Ausreisesperre gestellt werden, führt immer wieder zu Verstimmungen zwischen beiden Seiten und könnte ebenfalls angesprochen werden. (dpa)