BERLIN. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sehen die Zeit für Lockerungen in der Corona-Krise noch nicht gekommen - die FDP und die CSU dringen dagegen auf rasche Öffnungsschritte.
Nach Scholz dämpfte jetzt auch Habeck die Erwartungen: »Natürlich brauchen wir eine Öffnungsperspektive, aber die Lockerungen müssen zum richtigen Zeitpunkt kommen«, sagte der Wirtschaftsminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Noch ist die Omikron-Welle nicht gebrochen.«
Ähnlich hatte sich kürzlich auch Scholz geäußert. Der Koalitionspartner FDP fordert hingegen schon länger eine baldige Lockerung der Regeln. Die Corona-Zahlen in Deutschland erreichen derzeit zwar Rekordwerte, Befürworter von Öffnungsschritten argumentieren aber, dass der Krankheitsverlauf bei einer Omikron-Infektion in der Regel eher mild ist. Finanzminister Christian Linder (FDP) verwies kürzlich darauf, dass die gesetzlichen Grundlagen der aktuellen Corona-Maßnahmen ohnehin am 19. März auslaufen.
Lauterbach warnt
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte erneut vor übereilten Schritten. »Unsere Strategie ist bisher gut aufgegangen«, sagte er der »Bild am Sonntag«. Mit gezielten Maßnahmen und Boostern sei es gelungen, Alte und Vorerkrankte zu schützen. »Wenn wir aber jetzt zu früh lockern, stellen wir unseren eigenen Erfolg unnötig infrage und riskieren neue, gefährliche Infektionen und eine Verlängerung der Welle. Das, was wir in Wochen aufgebaut haben, können wir so in Tagen verspielen.«
Die neue Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte dem »Tagesspiegel«: »Ich halte nichts von einem Überbietungswettbewerb der Lockerungsforderungen.« Die Bürger hätten in der Pandemie schon genug leere Versprechungen erlebt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die Bundesregierung hingegen auf, einen Öffnungsplan vorzulegen. »Wenn wir uns sicher sein können, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, dürfen Freiheitsrechte nicht mehr wie in anderen Phasen der Pandemie zurückstehen«, sagte der CSU-Chef der »Bild am Sonntag«. »Wir sollten bei Kultur, Sport und Handel weitere Öffnungsschritte angehen, wenn die Krankenhauszahlen stabil bleiben. Der konsequente Einsatz von FFP2-Masken erlaubt die Rücknahme von Kontaktbeschränkungen.«
Habeck: »Grund zu vorsichtiger Hoffnung«
Auch Habeck plädierte für Einheitlichkeit bei den Lockerungen. »Ich halte es für wichtig, dass wir die einzelnen Schritte, was kommt zuerst, miteinander abstimmen«, sagte er. »Wir müssen schauen, wie sich die Pandemie entwickelt. In Deutschland haben wir eine vergleichsweise niedrige Impfrate gerade in der älteren Bevölkerung. Aber es gibt Grund zu vorsichtiger Hoffnung.«
Für den 16. Februar ist das nächste Spitzengespräch zwischen den Ministerpräsidenten und Scholz geplant. Dort könnten bundesweite Lockerungen vereinbart werden. Am 24. Januar hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, »Öffnungsperspektiven« zu entwickeln, sobald eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte mehrfach erklärt, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in Deutschland wahrscheinlich Mitte Februar erreicht sein dürfte.
Habeck versicherte, die Corona-Wirtschaftshilfen würden zur Verfügung gestellt »so lange es nötig ist«. Bisher sind die Hilfen bis Ende März befristet. Die Bundesregierung will prüfen, ob sie verlängert werden. »Sollte es nötig sein, sie erneut zu verlängern, um das Überleben hart betroffenen Betriebe zu sichern, dann tun wir das und dann werden die nötigen Gelder bereitstehen«, sicherte Habeck zu.
Umfrage: Mehrheit pro Lockerungen
In der Bevölkerung gibt es nach einer Insa-Umfrage im Auftrag der »Bild am Sonntag« zum ersten Mal seit längerem eine Mehrheit, die sich für Öffnungsschritte ausspricht. Demnach sind 49 Prozent für Lockerungen, 44 Prozent sind dagegen. Nach der Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen befragt, gaben 53 Prozent an, dass sie die 2G-Regeln im Einzelhandel nicht mehr sinnvoll finden (sinnvoll: 42 Prozent). Kontaktbeschränkungen für Geimpfte würden 66 Prozent abschaffen und 27 Prozent beibehalten. 2G plus in der Gastronomie finden 49 Prozent nicht mehr sinnvoll und 47 Prozent sinnvoll. (dpa)