Logo
Aktuell Inland

Bundestag: Starke Kritik an Vorstoß für Online-Sitzungen

Die Corona-Infektions- und Todeszahlen bleiben hoch. Deutschland ist im Lockdown. Sollte auch der Bundestag im Homeoffice tagen? Eine CDU-Abgeordnete schlägt das vor - und erntet teils massive Kritik.

Bundestag
Blick in den Plenarsaal des Bundestags. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Blick in den Plenarsaal des Bundestags. Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN. Angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen kommt aus der CDU/CSU-Fraktion des Bundestags ein Vorstoß für reine Online-Sitzungen des Parlaments. »Digitales Arbeiten heißt das Gebot der Stunde«, sagte die Bremer CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann der Deutschen Presse-Agentur.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki wies dies jedoch umgehend zurück. Er bescheinigte der CDU-Politikerin »ein ziemlich desolates Parlamentsverständnis«. Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, hält nichts von dem Vorschlag: »Das Parlament hat in den letzten Monaten der Corona-Krise gezeigt, dass es arbeitsfähig ist«, sagte sie der dpa.

Motschmann sagte: »In jeder Sitzungswoche reisen über 700 Mitglieder des Deutschen Bundestages aus der gesamten Republik nach Berlin. Wer will das verantworten?« Für die CDU-Politikerin steht daher fest: »Unter den geltenden Corona-Maßnahmen sollte auch der Deutsche Bundestag Konsequenzen ziehen und nicht physisch tagen.« Motschmann, die unter anderem Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Bundesvorstand ihrer Partei ist, fügte hinzu: »Es ist ohnehin längst überfällig, dass der Deutsche Bundestag digital aufrüstet und auch Abstimmungen online stattfinden können.«

Der FDP-Politiker Kubicki hielt dagegen: »Eine parlamentarische Demokratie lebt nicht nur von bloßen Abstimmungen, sondern von dem Prinzip von Rede und Gegenrede, von der Interaktion zwischen den gewählten Volksvertretern«, sagte der Vizepräsident des Bundestags. »Eine digitale Debatte kann niemals die direkte Auseinandersetzung ersetzen. Dass die Union glaubt, dass diese Prozesse plötzlich komplett entbehrlich sind, zeigt, wie sehr man sich dort auf die Rolle des Abnickers von Regierungsverfügungen versteht.«

»Unsere parlamentarische Demokratie lebt von der öffentlichen Debatte, von Rede und Gegenrede«, sagte auch die Grünen-Politikerin Haßelmann. »Eine Abkehr von der Anwesenheit der Abgeordneten würde den Charakter unseres Parlamentes völlig verändern. Das kann nicht gewollt sein.« Gerade in diesen Pandemiezeiten sei der öffentliche Diskurs, das Ringen um gute Konzepte und die Abwägung von Entscheidungen dringend notwendig. »Maßnahmen, Beschränkungen und Impfstrategien müssen transparent diskutiert und beraten werden.«

Haßelmann betonte: »Der Bundestag ist funktionsfähig, auch in der Krise.« Man werde zwar über die Modernisierung und Digitalisierung von Abläufen des Arbeitsalltags im Bundestag weiter beraten müssen. »Bezüglich der Wahrnehmung eines Abgeordnetenmandates ohne Anwesenheit gibt es jedoch schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken und Risiken in der Durchführung.«

Kubicki sagte der dpa: »Die Idee Motschmanns konsequent weitergedacht, würde übrigens bedeuten, dass die Abgeordneten auch mit dem Cocktail am Strand auf den Malediven Entscheidungen über die Zukunft dieses Landes treffen könnten. Dass dies mit der Würde des Hohen Hauses nicht in Einklang zu bringen ist, sollte selbst Frau Motschmann klar sein.« Sie dürfe aber gerne in der kommenden Sitzungswoche zu Hause bleiben, wenn Sie dies für richtig halte.

Der Bundestag kommt in der neuen Woche erstmals nach der Weihnachtspause wieder zusammen. Allerdings wird er nur am Mittwoch und Donnerstag tagen, der Freitag wurde - so wie auch schon in der Sitzungswoche direkt vor Weihnachten - gestrichen.

Die Pandemie geht auch am Parlament mit seinen 709 Abgeordneten und mehreren tausend Beschäftigten nicht spurlos vorbei. Bis zur letzten Sitzungswoche im Dezember hatten sich allein 23 Abgeordnete infiziert - darunter auch Thomas Seitz von der AfD. Nachdem die AfD um Dezember erklärt hatte, »die Prognose für eine zügige Genesung ist laut Auskunft der behandelnden Ärzte günstig«, stellte sich nun heraus, dass die Infektion bei ihm einen schweren Verlauf genommen hatte.

»Ich danke von Herzen allen Ärzten und Klinikmitarbeitern, die mit ihrer hoch qualifizierten Arbeit mein Überleben trotz schlechter Prognose ermöglicht haben«, teilte der 53-Jährige am Wochenende über sein Büro mit. Zugleich erklärte er die staatlichen Maßnahmen gegen die Pandemie erneut für unangemessen. Er sei weiter der Auffassung, »dass bislang keine pandemische Lage vorliegt«. (dpa)