BERLIN. Angesichts von Rekord-Infektionszahlen sieht die Bundesregierung wenig Anlass, die derzeitigen Corona-Beschränkungen zu lockern.
Wie weit die November-Beschränkungen für die Gastronomie oder die Kultur auch im Dezember noch aufrechterhalten werden, ließ Regierungssprecher Steffen Seibert offen.
An diesem Montag schalten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder - wie bei der vergangenen Sitzung Ende Oktober verabredet - zu erneuten Beratungen zusammen. Nennenswerte Änderungen der derzeitigen Bestimmungen sind dabei wohl nicht zu erwarten. Ein Thema könnte die sich verschärfende Situation an Schulen und Kitas sein.
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag mit 23.542 Neu-Infektionen binnen 24 Stunden einen neuen Höchststand. Am vergangenen Samstag war mit 23.399 verzeichneten Fällen der bisherige Spitzenwert erreicht worden. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg demnach bis Freitag um 218 auf insgesamt 12.200. Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 751.095 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 (Stand: 13.11., 00.00 Uhr). Das Institut schätzt, dass rund 481.700 der Infizierten inzwischen genesen sind.
Angesichts dieser Zahlen dämpften mehrere Ministerpräsidenten Erwartungen an Änderungen der Beschlüsse bei den jüngsten Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie. Die Runde hatte den seit dem 2. November geltenden Teil-Lockdown beschlossen, der am Montag zwei Wochen anhält und zunächst bis Ende November in Kraft bleiben soll. Freizeiteinrichtungen sind derzeit geschlossen, Hotels dürfen keine Touristen beherbergen.
Die Bundesregierung will absehbar an den Einschränkungen festhalten. »Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass bei diesem Stand der Dinge für Montag jedenfalls keine Lockerungen von Einschränkungen zu erwarten sind«, sagte Seibert. Mit diesen Äußerungen bleibt zunächst unklar, ob weitere Maßnahmen für nötig gehalten werden und wie es danach weitergeht. Seibert unterstrich, es sei zu früh für ein abschließendes Urteil. Mit Lockerungen würde das Land steigende Infektionszahlen riskieren.
Das Ziel sei die Annäherung an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50. Erst dann sei es wieder möglich, dass die Gesundheitsämter einzelne Kontakte von Infizierten nachvollziehen könnten, erläuterte Seibert.
Diese Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche liegt seit Tagen deutlich über 130. Seibert rief einen Satz von Merkel in Erinnerung: »Es soll kein Weihnachten in Einsamkeit werden.« Offen ist es nach seinen Worten, ob die Lage an den Schulen bei den Beratungen am Montag eine Rolle spielen wird. »Für die Bundesregierung war immer klar: Wir wollen, so gut es möglich ist, die Schulen offen halten.«
Berlins Regierender Bürgermeister und derzeitiger Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Michael Müller (SPD), dämpfte vor den Beratungen am Montag die Erwartungen an mögliche Lockerungen. »Zum jetzigen Zeitpunkt können wir zwar vorsichtig optimistisch sein, aber es gibt keine Entwarnung«, sagte Müller der »Rheinischen Post« (Düsseldorf, Samstag). Müller verteidigte den Teil-Lockdown: »Keine Frage, diese Einschränkungen sind bitter und schmerzhaft, aber sie waren nötig, damit sich die Pandemie nicht noch weiter ausbreitet.«
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in der ZDF-Sendung »Markus Lanz«, für Lockerungen gebe es jetzt überhaupt keinen Anlass. Am Montag werde es um einen Zwischenstand gehen, es werde auch nicht die letzte Runde mit der Kanzlerin im November sein. Söder geht allerdings davon aus, dass man bei dem Treffen am Montag über die Schulen reden müsse. Dem Vernehmen nach wird auf Staatssekretärsebene zur Vorbereitung der MPK überlegt, wie die Schulen auch bei weiter steigenden Infektionszahlen möglichst lange für möglichst viele Schüler offen gehalten werden können.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht in dem Teil-Lockdown bereits einen Erfolg. Lauterbach sagte RTL/ntv: »Wir sind aus dem exponentiellen Wachstum heraus. Das ist ein großer Erfolg.« Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es »keinerlei Anlass dafür, das zurückzunehmen, was wir beschlossen haben. Wir müssen eher darüber nachdenken, ob wir damit hinkommen«.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warf dem Bund beim Thema Wirtschaftshilfen für mittelbar vom Teil-Lockdown betroffene Unternehmen Wortbruch vor. Günther sagte im ZDF-»Mittagsmagazin«, viele Betriebe würden durch den Rost fallen. Es gebe eine klare Vereinbarung, was die mittelbar betroffenen Betriebe angehe. Dies gelte etwa für den Einzelhandel in Tourismusgebieten wegen fehlender Urlauber oder für die Zulieferer der Gastronomie.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bekräftigte indessen, Wirtschaftshilfe solle es auch weit nach November geben. »Es gibt ein reichhaltiges Portfolio an Hilfen.« So komme eine Überbrückungshilfe 3, die es über den Dezember hinaus gebe.
Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD überarbeiteten nach Informationen des ZDF das neue Infektionsschutzgesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Neu sei dabei eine Definition der »epidemischen Lage von nationaler Tragweite«, die der Bundestag beschließen müsse, sowie eine Klarstellung
zum Verbot von Demonstrationen, wonach Demonstrationen oder religiöse und weltanschauliche Zusammenkünfte nur dann beschränkt und untersagt werden dürften, wenn ohne diese Maßnahmen eine wirksame Eindämmung nicht gewährleistet werden könne. Am Kern des neuen Infektionsschutzgesetzes halte die Koalition aber fest. (dpa)