BERLIN. Angesichts drastisch gestiegener Infektionszahlen in Deutschland ringen Politik und Experten um neue Strategien für den Einsatz von Corona-Tests. Im Blick stehen vor allem PCR-Labortests, die zusehends knapp werden.
Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet an mehreren Neuregelungen, um Kapazitäten noch zu erhöhen und die PCR-Verwendung stärker auf sensible Bereiche zu konzentrieren, wie es am Dienstag hieß. Nach dem Bund-Länder-Beschluss, dass weitreichende Alltagsauflagen generell noch länger bleiben sollen, kündigten erste Länder Lockerungen an. An diesem Mittwoch diskutiert der Bundestag in einer Orientierungsdebatte über eine allgemeine Corona-Impfpflicht.
PCR-Tests sind knapp
Bisherige Erfordernisse für PCR-Tests seien mit den höheren Zahlen, in die man mit der Ausbreitung der Omikron-Variante komme, nicht mehr durchzuhalten, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) hatte deutlich gemacht, dass er den Höhepunkt der Omikron-Welle für Mitte Februar erwartet. Möglich seien bis zu 400.000 neue Fälle pro Tag, verlautete aus dem Ministerium.
Die jetzige Welle schlägt sich schon deutlich in den Testkapazitäten nieder. In der vergangenen Woche wurden rund 2,4 Millionen PCR-Tests gemacht, wie der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin nach Daten von rund 180 Laboren mitteilte. Jeder dritte Befund sei positiv gewesen. »Die Auslastung der Labore wird im bundesweiten Durchschnitt mit 95 Prozent angegeben und erreicht somit in den meisten Bundesländern die Belastungsgrenze«, hieß es weiter. Die Pläne zum Priorisieren von PCR-Tests seien »richtig und sinnvoll«.
»Verlieren den Überblick über das Pandemie-Geschehen«
Um Kapazitäten zu erhöhen, sollen jetzt Anreize für »Poc-nat«-Tests angehoben werden, wie es vom Ministerium weiter hieß. Sie funktionieren ähnlich wie PCR-Tests, müssen aber nicht ins Labor. Konkret soll die Vergütung dafür von derzeit 30 Euro auf mehr als 40 Euro steigen. Fürs »Freitesten« aus der Isolation nach einer Corona-Infektion sollen auch für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen nicht mehr PCR-Tests Pflicht sein. Möglich sein sollen Schnelltests wie sonst auch. Zudem sind Änderungen dabei geplant, dass bisher nur PCR-bestätigte Fälle in die Statistik eingehen und etwa auch für Genesenen-Nachweise zählen. Näheres wurde zunächst nicht mitgeteilt.
Die Fachminister von Bund und Ländern hatten beschlossen, dass PCR-Tests vorrangig bei Menschen aus Risikogruppen und Beschäftigten eingesetzt werden sollen, die sie betreuen und behandeln - etwa in Kliniken und Pflegeheimen. Es gibt auch Vorschläge, PCR-Tests als »Pool« auszuwerten. Dabei werden mehrere Proben zusammen geprüft - und bei positivem Befund alle Tests erneut einzeln. Lauterbach sagte in der ARD mit Blick auf die Vorgängerregierung: »Dieses Verfahren ist vor einem Jahr nicht vorbereitet worden, darum können wir darauf jetzt nicht zurückgreifen.« Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mahnte schnelle Klärungen zur Test-Strategie an. »Sonst verlieren wir ja den Überblick über das Pandemie-Geschehen.«
Lockerungen für Sport und Kultur
Nach Bayern will auch Baden-Württemberg Corona-Regeln für Sport und Kulturveranstaltungen lockern - aber nicht so stark. Anders als in Bayern sollen in der Fußball-Bundesliga keine Spiele mit bis zu
10.000 Zuschauern zugelassen werden. Damit gehen die beiden Südländer über den Bund-Länder-Beschluss vom Montag hinaus. Man müsse bedauern, dass es nicht gelungen sei, eine einheitliche Regelung zu finden, sagte Kretschmann (Grüne). Dazu wollen Bund und Länder am 9. Februar erneut reden. In Mecklenburg-Vorpommern sollen Corona-Regeln für Theater, Museen und Kinos ebenfalls tendenziell gelockert werden.
Das Bundesgesundheitsministerium warnte generell vor Lockerungen. Die bestehenden Beschränkungen wirkten und hätten eine Entschleunigung erreicht, so dass die Omikron-Ausbreitung keine »Steilwand« geworden sei. Forderungen nach Lockerungen bedeuteten, dass man diesen Weg nicht fortsetzen könnte. Das Ministerium wandte sich auch gegen Forderungen aus den Ländern, die beschlossene begrenzte Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen zum 15. März wegen Umsetzungsproblemen auszusetzen. Geregelt werden soll nun auch ein stärker fokussiertes amtliches Nachverfolgen von Infektionsketten. Ziel sind zudem neue tagesaktuelle Meldungen zu Klinik-Einweisungen.
Grundsatzdebatte zur Impfpflicht
Im Bundestag steht am Mittwoch eine offene Grundsatzdebatte über eine allgemeine Corona-Impfpflicht an. Dafür hat sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgesprochen. Der Bundestag soll nach dem Willen der Ampel-Koalition aber in freier Abstimmung darüber entscheiden.
Am Dienstag stellten Abgeordnete von FDP und Grünen eine Initiative für einen »Mittelweg« vor: Mit einem verpflichtenden, professionellen und persönlichen Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften und - wenn sich in einer vorgegebenen Zeit die nötige Impfquote nicht einstellt - einer Pflicht zum Nachweis einer Impfung ab 50 Jahren. So solle »mit einem milderen staatlichen Eingriff eine maximale Wirkung« erzielt werden, erklärte die Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann. Eine andere Gruppe mit Parlamentariern von SPD, FDP und Grünen strebt eine Impfpflicht ab 18 Jahre an. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will eine Impfpflicht generell verhindern. (dpa)