BERLIN. Das gewaltige Konjunkturpaket der schwarz-roten Koalition gegen die Corona-Krise stößt in der Wirtschaft und bei Experten auf breite Zustimmung. Aus der Opposition kam am Donnerstag allerdings auch heftige Kritik an den Plänen von Union und SPD.
»Das Prinzip «Teure Gießkanne» hat sich durchgesetzt«, sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte, die Bundesregierung zeige, »wie man viel Steuergeld für wenig effektive Maßnahmen verplempert.« Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sprach dagegen von einem »Kraftpaket und Zeichen von Zuversicht«.
AfD-Chef Jörg Meuthen bezweifelte, dass die zeitweise Absenkung der Mehrwertsteuer das Einkaufen für die Bürger auch wirklich billiger mache. Aus Sicht der Grünen kommen die »Armen und von der Krise am stärksten Gebeutelten« bei den Plänen zu kurz.
Am späten Mittwochabend hatten die Spitzen von Union und SPD sich nach fast 21 Stunden Verhandlung über zwei Tage auf ein Paket im Umfang von 130 Milliarden Euro geeinigt, das die Wirtschaft in der Corona-Krise wieder in Schwung bringen soll. Dazu gehören mehr Geld für Familien und Kommunen, Entlastungen beim Strompreis, eine höhere Kaufprämie für Autos mit Elektroantrieb und eine Senkung der Mehrwertsteuer für das kommende halbe Jahr.
Die Koalition verteidigte die Ausgaben von historischem Ausmaß: »Das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte trifft auf die größte Krise der Nachkriegsgeschichte«, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem SWR. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von einem »Kraftpaket«. CSU-Chef Markus Söder nannte die Pläne einen großen Schritt nach vorne. Noch in der Nacht hatte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt: »Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen«. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, das Programm laufe »nicht aus dem Ruder«. Um es zu finanzieren wird der Bund Schulden aufnehmen.
Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise reichen die geplanten Konjunkturhilfen zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. Fast die Hälfte der 130 Milliarden Euro fließt nach den Worten von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Zukunftsbereiche wie die Wasserstoffwirtschaft, Quantentechnologien oder Künstliche Intelligenz.
Zustimmung kam aus der Wirtschaft und von Ökonomen. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, lobte das Paket als durchdacht und ausgewogen. Es werde die Rezession sicherlich dämpfen, sagte er im Deutschlandfunk. Arbeitgeberpräsident Kramer sagte, die Regierung habe der Versuchung widerstanden, Einzelinteressen nach vorne zu stellen.
Ein »Herzstück« des Paketes ist nach den Worten Söders eine Senkung der Mehrwertsteuer. Von Juli an bis Ende 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden. Söder sagte am Donnerstag, falls es Corona-Rückschläge im Herbst gebe oder sich die Wirtschaft nicht erhole, könne es sein, dass man die Mehrwertsteuerregelung verlängern müsse.
Die Koalition entschied sich gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos, die die Branche und die »Auto-Länder« Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gefordert hatten. Das begrüßten Umweltschützer und auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Donnerstag. Stattdessen soll es nur eine deutlich höhere Prämie für Elektroautos geben - auch für Hybride, die sowohl elektrisch als auch mit Sprit fahren können, was Umweltschützer kritisch sehen.
Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden. Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Er solle »aller Wahrscheinlichkeit nach« in drei Raten von je 100 Euro überwiesen werden, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Der Sozialverband VdK hält davon wenig: »Der Kinderbonus wird verbrennen wie ein Strohfeuer«, sagte Präsidentin Verena Bentele der »Rheinischen Post«. Zielgenauer wäre, nur bedürftige Familien zu unterstützen.
Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Städte, Gemeinden und Landkreise begrüßten die Beschlüsse insgesamt. Man sei erleichtert über einen klaren Rettungsschirm für die Kommunen, sagte der der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der »Rheinischen Post«. Städtetagspräsident Burkhard Jung nannte die Beschlüsse ein »beeindruckendes Signal«.
Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Krise besonders belastet sind. Geplant sind »Überbrückungshilfen« im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro. Damit soll eine Pleitewelle bei kleinen und mittleren Firmen verhindert werden. Außerdem soll es steuerliche Entlastungen geben, damit die Existenz von Firmen gesichert wird und diese Spielräume für Investitionen haben. (dpa)