Salzwiesen vor den Deichen können einer neuen Studie zufolge auch bei veränderten Klimabedingungen die Energie von Wellen dämpfen und so einen wertvollen Beitrag für den Küstenschutz leisten.
In der kürzlich in der Fachzeitschrift »Scientific Reports« veröffentlichten Untersuchung kommen Forscherinnen und Forscher aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu dem Ergebnis, dass höhere Wassertemperaturen und ein höherer CO2-Gehalt im Wasser infolge des Klimawandels keine negativen Folgen auf die wellendämpfende Funktion zweier wichtiger Salzwiesenpflanzenarten haben.
Pufferzone zwischen Meer und Festland
Salzwiesen dienen an der Nordseeküste als Pufferzone zwischen dem Meer und dem Festland, in der bei Hochwasser der Wellenschlag abgeschwächt wird. Denn die Pflanzen, die dort wachsen, bilden eine raue Struktur, erklärte Maike Paul vom Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau und Ästuar- und Küsteningenieurwesen der Universität Hannover. »Dadurch, dass die Pflanzen dem Wasser im Weg stehen, sorgen sie dafür, dass Wellenergie abgeschwächt wird.« Zudem führe ein Höhenunterschied von den vorgelagerten Wattflächen zu den Salzwiesen dafür, dass Wellen brechen und weniger Wellenenergie am Deich ankomme.
»Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass sich die Küstenschutzfunktion der Salzwiesen nicht verschlechtern wird, auch wenn der Klimawandel so kommt, wie wir alle befürchten«, sagte Paul. »Selbst dann können wir noch auf den Schutz der Salzwiesen setzen.« Salzwiesen kennzeichnet, dass sie regelmäßig vom salzigen Meerwasser überflutet werden. Vor den schleswig-holsteinischen Deichen und auf den Halligen gibt es nach Angaben der Nationalparkverwaltung mehr als 13.000 Hektar Salzwiesen. In Niedersachsen sind es etwa 8400 Hektar vor den Küstendeichen und an den Südseiten der Inseln. Zusammen entspricht das einer Fläche von fast 30.000 Fußballfeldern.
Drei Grad höhere Wassertemperatur
In der Studie untersuchten die Hannoveraner Forscher zusammen mit Wissenschaftlern der Wattenmeerstation des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts in List auf Sylt, inwieweit sich die biomechanischen Eigenschaften von zwei Salzwiesenpflanzenarten - dem Salz-Schlickgras (Spartina anglica) und der Strand-Quecke (Elymus athericus) - unter künftigen klimatischen Bedingungen verändern. Für den Versuch legten sie Annahmen eines Szenarios des Weltklimarats (IPCC) zugrunde und setzten die Pflanzen in einem Labor 13 Wochen lang einer drei Grad höheren Wassertemperatur und einem CO2-Gehalt von 800 ppm (Teilchen CO2 pro Millionen Teilchen) aus.
»Wir haben dann untersucht, wie steif diese Pflanzen noch sind - also wie viel Kraft benötigt wird, um sie abzuknicken«, sagte Paul. Die Steifigkeit sei ein wichtiger Parameter, um abzuschätzen, wie gut die Pflanzen Wellen dämpfen können. Das Ergebnis: Die höhere Temperatur und der höhere CO2-Gehalt beeinträchtigten nicht die Elastizität der Halme. Bei dem Salz-Schlickgras wurde sogar eine Zunahme des Halmdurchmessers und der Biegesteifigkeit festgestellt. Je steifer und starrer eine Pflanze sei, desto höher sei ihre wellendämpfende Wirkung, sagte Paul. »Wenn die Pflanze aber schon bei der ersten Welle umknickt, kann sie für die nachfolgenden Wellen nur noch eine geringere Wellendämpfung erzeugen.«
Aus Sicht der Forscher können die Erkenntnisse bei künftigen Anpassungsstrategien an die Klimaveränderungen große Bedeutung für den Küstenschutz haben. Denn die Daten seien wertvoll, um Prognosen für die Schutzwirkung von Salzwiesen zu geben, sagte Paul. Bestehende Salzwiesen sollten daher erhalten und nach dem Ansatz »building with nature« - also der Berücksichtigung natürlicher Ökosystemleistungen - in Küstenschutzpläne einbezogen werden. »Wir sollten auch darüber nachdenken, ob wir diese Flächen nicht vergrößern könnten, um noch mehr von ihrer Schutzwirkung zu nutzen«, sagte die Wissenschaftlerin.
Offen ist allerdings noch die Frage, inwieweit Salzwiesen ähnlich wie Wattflächen mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen können. Studien hätten bereits gezeigt, dass Salzwiesen grundsätzlich dazu in der Lage seien, indem etwa Sturmfluten aufgewirbelte Sedimente auf die Salzwiesen spülen, sagte Paul. »So wachsen die Salzwiesen langsam in die Höhe. Es setzt aber voraus, dass Sediment da ist, was auf die Salzwiesen gespült werden kann.« Die Sedimentverfügbarkeit sei lokal verschieden. Inwieweit so auch Salzwiesen etwa an den deutschen Küsten mitwachsen könnten, werde zurzeit untersucht.
Nationalparkverwaltung zu Salzwiesen im Wattenmeer
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