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Erdüberlastungstag: Leben, als ob 1,7 Erden verfügbar wären

Mag die Wirtschaft noch so sehr voranschreiten - die Erde verfügt über eine begrenzte Ressourcenmenge. Die Menschheit scheint dies zu ignorieren und tut laut Germanwatch so, als gäbe es mehrere Erden.

Planet Erde
Die Menschheit wirtschaftet gerade, als hätte sie nicht eine, sondern 1,7 Erden zur Verfügung. (Archivbild) Foto: Nasa/DPA
Die Menschheit wirtschaftet gerade, als hätte sie nicht eine, sondern 1,7 Erden zur Verfügung. (Archivbild)
Foto: Nasa/DPA

 

Berlin/Bonn (dpa) - Ab Donnerstag verbraucht die Menschheit mehr Ressourcen, als die Erde in einem Jahr erneuern kann. Mit anderen Worten: Wir leben so, als ob wir 1,7 Erden zur Verfügung hätten. Das berichtet die Organisation Germanwatch unter Berufung auf Berechnungen des Global Footprint Network mit Sitz in den USA und der Schweiz. 

Der Tag liegt damit einen Tag früher als noch im vergangenen Jahr. Zur Erdüberlastung zählt etwa der Verbrauch an Fischen, Ackerland oder Holz aber auch die Aufnahmefähigkeit der Erde für Müll und Emissionen. 

Flugverkehr: Eine Minderheit verursacht globalen Schaden

Flugzeuge seien besonders klimaschädlich. Diese verursachten neben dem CO2-Ausstoß etwa das Dreifache des Treibhauseffekts wie wenn dieselbe Menge CO2 am Boden entstehe, betont Germanwatch. Ein Grund dafür seien Kondensstreifen. Im Gegensatz dazu biete der Schienenverkehr eine nachhaltigere Alternative, da er bis zu 28-mal klimafreundlicher als innereuropäische Flüge sei.

Flugzeug mit Kondensstreifen
Ein Flugzeug hinterlässt Kondensstreifen, die auch zur Klimaerwärmung beitragen. (Archivbild) Foto: Robert Michael/DPA
Ein Flugzeug hinterlässt Kondensstreifen, die auch zur Klimaerwärmung beitragen. (Archivbild)
Foto: Robert Michael/DPA

Ein sehr kleiner Teil der Weltbevölkerung sei mit seinem Flugverhalten für diesen wesentlichen Treiber der Klimakrise verantwortlich, erklärt Jacob Rohm von Germanwatch. Beispielsweise geben über 60 Prozent der Deutschen an, dass sie nur selten oder gar nicht fliegen, so die Organisation. Zudem habe über 80 Prozent der Weltbevölkerung nie ein Flugzeug bestiegen.

Planetare Grenzen: Politik soll Zusammenhänge auf der Erde verstehen

Nicht nur Germanwatch schlägt Alarm über die Gesundheit der Erde. Internationale Forschungsteams haben sich mit den sogenannten planetaren Grenzen befasst. Im Jahr 2009 definiert, sollen sie einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit abstecken und decken neun Teilbereiche ab, wie die Nutzung von Süßwasser, die Funktion der Biosphäre, das Klima und die Aerosole in der Atmosphäre. Untersuchungen haben ergeben, dass sechs dieser Bereiche durch menschliche Aktivitäten bereits überschritten wurden. Dazu gehören auch der Klimawandel und die Veränderungen des Süßwassers.

In einer 2024 Studie des Teams um Arne Tobian von der Universität Stockholm und Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), wurde auch untersucht, inwieweit die Verletzung einer Grenze zur Überschreitung einer anderen führen kann. Um das zu erforschen, hat sich das Team auf die Veränderungen konzentriert, die der Klimawandel in den wichtigsten Waldregionen der Erde verursacht. 

KINA - Was ist die Rolle von Wäldern beim Klima?
Nördliche Wälder könnten ganz verschwinden. (Archivbild) Foto: Emergency Situations Ministry Press Service/DPA
Nördliche Wälder könnten ganz verschwinden. (Archivbild)
Foto: Emergency Situations Ministry Press Service/DPA

Es zeigte, dass die Erhöhung der Erdtemperatur in den kommenden Jahrhunderten zu kritischen Überschreitungen im Waldbereich führen kann. So könnten die nördlichen Wälder (boreale Wälder) im Extremfall auf ihrer derzeitigen Fläche aussterben und weiter nördlich wachsen. Die Wälder mittlerer Breiten könnten Richtung Norden folgen, während die tropischen Wälder in der Fläche leicht zulegen könnten, zeigt die Studie in einer Simulation. Dies und andere Faktoren würden auch zu einer weiteren Veränderung des Süßwassers führen und Rückkopplungen mit dem Klima selbst hervorrufen. 

Das Expertenteam betont, wie bedeutend es ist, diese planetaren Grenzen als eine vernetzte und voneinander abhängige Stabilitätsstruktur zu betrachten. Politische Maßnahmen, die den Druck auf eine Grenze mindern, könnten sich auf die Stabilität des Erdsystems in anderen Dimensionen der planetaren Grenzen auswirken. Dieses Verständnis ist wichtig, um herauszufinden, welche Maßnahmen ergriffen oder vermieden werden sollten, um einen positiven Einfluss zu schaffen. 

Deutschland lebt seit Mai auf Pump

Nach den Berechnungen des Global Footprint Network sind die natürlichen Ressourcen in Deutschland bereits am 2. Mai verbraucht gewesen. Großen Einfluss auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen hat laut Germanwatch dort der hohe Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten.

Um den Ressourcenverbrauch zu senken, fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Gesetz mit klaren Schutzzielen. Das sei notwendig, um Verantwortlichkeiten zu schaffen und Anreize für eine nachhaltige Wirtschaft zu geben, teilt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt mit. 

Laut BUND gibt es drei Komponenten für eine Nachhaltigkeitsstrategie: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Letzteres ist eine Art Genügsamkeit und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Angesichts der begrenzten natürlichen Ressourcen und des Klimawandels zielt sie darauf ab, Energie und Materialien zu sparen, wobei oft der Lebensstil jedes Einzelnen angesprochen wird. »Ein Schlüssel, um wirklich weniger zu verbrauchen, liegt in mehr Suffizienz – nach dem Motto: weniger Ressourcenverbrauch, mehr Lebensqualität«, heißt es seitens BUND. 

Positiver Ausblick

Germanwatch hat auch eine positive Nachricht: »Jahrzehntelang hat die Erdüberlastung fast jedes Jahr zugenommen, seit knapp zehn Jahren pendelt sie nun auf hohem Niveau«, sagt der Politische Geschäftsführer, Christoph Bals. »Die gute Nachricht ist, dass der Wendepunkt erreicht zu sein scheint.« 

Als Grund sieht er unter anderem den »weltweiten Siegeszug« der erneuerbaren Energien, der Speichertechniken, der E-Mobilität und der Wärmepumpen. Diese und weitere Trends müssten stark beschleunigt werden, um Klima-Kipppunkte und massive weitere Artenverluste zu verhindern. 

© dpa-infocom, dpa:240731-930-189381/2