Frage: Warum haben Sie mitten in der Pandemie eine Dokumentation im Universitätsklinikum Bonn gedreht?
Antwort: Ich wollte hautnah miterleben, was sich alles für die Arbeit in der Pflege, für die Ärzte auf der Intensivstation, für den Rettungsdienst und die Reinigungskräfte ändert. Nach der anfänglichen Begeisterung für die Pflegekräfte wollte ich zeigen, dass für sie die Krise überhaupt noch nicht vorbei ist, sondern dass die zusätzlichen Schutzmaßnahmen vor allem ein Mehr an Arbeit, an Risiko und an körperlichen Strapazen bedeuten - und davon wird sich so schnell nichts lockern lassen. So gesehen ist es der erste Film über die »neue Normalität« im Krankenhaus.
Frage: Was hat sie bei den Dreharbeiten am meisten erstaunt?
Antwort: Zum Beispiel, dass es sehr unangenehm ist, längere Zeit durch eine FFP2-Maske zu atmen. Es ist anstrengend, man hustet, bekommt Druckstellen und weil die Masken Mangelware sind, werden sie auch nach der Verwendung aufgehoben und wiederverwendet statt weggeschmissen. Als ich eine Pflegefachkraft interviewte, die aus einem Isolierzimmer kam, kippte sie mir im Gespräch fast um. Unter der Schutzkleidung wird es sehr schnell heiß, man bleibt oft über Stunden beim Patienten, kann in der Zeit nichts trinken – das ist körperlich und psychisch eine enorme Belastung. Keiner der Mitarbeiter, die ich erlebt habe, hat die Infektion verharmlost.
Frage: Andere Staaten fragen sich, warum es in Deutschland nicht so viele Corona-Tote gibt. Macht die Bundesregierung einen guten Job?
Antwort: Erst einmal bin ich froh, dass wir eine Bundesregierung mit einer Naturwissenschaftlerin an der Spitze haben und nicht mit einem Despoten. Wir sind in Deutschland bisher im internationalen Vergleich wirklich gut weggekommen und werden von anderen Ländern dafür bewundert. Auch die Kollegen von der Intensivstation sind im regen Austausch weltweit. Nur hierzulande nimmt man das alles wie selbstverständlich hin.
Frage: Was ist Ihr größter Kritikpunkt?
Antwort: Dass die Regierung bisher nicht konsequent gegen Verschwörungstheorien und die »Infodemie« vorgegangen ist. Konkret: Wenn es im Netz heißt, wir sollten Desinfektionsmittel zum Schutz trinken, braucht es eine Stelle, die das zeitnah einordnen hilft. Lieber desinfiziert und informiert, als desinformiert und infiziert.
Ich erlebe zwei Welten – eine offizielle und eine komplette Parallelwelt in den sozialen Medien. Das ist enorm gefährlich, weil sich psychologisch jeder die Informationen sucht, die zu seiner Weltsicht passen. Und die Algorithmen der Googles, Facebooks und YouTubes dieser Welt verstärken und verzerren massiv zugunsten von Hass, Hysterie und Populismus.
Von Menschen, die ich eigentlich für vernünftig gehalten habe, bekomme ich Videos weitergeleitet mit den krudesten Typen und Botschaften. Auch Prominente beteiligen sich an der Verbreitung, bis hin zu Staatsoberhäuptern wie Trump und Bolsonaro, die eine antiwissenschaftliche Haltung weltweit salonfähig gemacht haben.
Frage: Was vermissen Sie seit dem Lockdown am meisten?
Antwort: Kultur! Konzerte, Lesungen, Kabarett sind auch systemrelevant. Kunst ordnet die Realität ein, hilft uns zu verstehen, gibt uns Kraft. Wirklich in meinem Element bin ich auf der Bühne – deswegen vermisse ich das auch am meisten. Ausverkaufte Termine abzusagen ist nicht lustig, weder für die Zuschauer, noch die Techniker, die Veranstalter, Agenturen und alle, die noch mit dranhängen. Aber ich bleibe ja auf der Bühne und im Fernsehen im Herzen Arzt. Und wenn die Gesundheit von vielen Menschen in Deutschland und weltweit gerade so massiv gefährdet ist wie jetzt, muss jeder helfen, wo er kann. Und das kann ich am besten in der Vermittlung.
Frage: Gibt es etwas, das Sie mitnehmen möchten, wenn die Corona-Krise vorbei ist?
Antwort: Wir haben Gesundheit viel zu lange als etwas Individuelles betrachtet, jeder ist für sich selber verantwortlich, und für jede Krankheit gibt es eine Behandlung. Corona erinnert uns an den Stellenwert von Public Health, an Gesundheitsgefahren, für die es übergeordnete Lösungen braucht. Die größte Gesundheitsgefahr ist und bleibt die Klimakrise, die Zerstörung unserer Mitwelt, die sich an vielen Stellen rächt, durch eine Zunahme von Infektionskrankheiten, von Allergien, von Hitze, Dürre und Waldbränden.
Darüber redet gerade keiner mehr, dabei hängen die Krisen eng zusammen. Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. Und meine große Hoffnung ist, dass wir nach der Krise neu darüber nachdenken, welche Art von Wachstum wir wieder ankurbeln wollen, wenn es mit sauberer Luft, mehr Fahrrad und weniger sinnlosen Flügen eigentlich viel schöner ist. (dpa)