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Welle von Privatpleiten befürchtet

Die Corona-Krise treibt die private Verschuldung nach oben, warnen Experten. Die Zahl der Verbraucherpleiten dürfte in den nächsten Monaten steigen. Anders dürfte es bei Unternehmen aussehen.

Experten erwarten Welle von Privatpleiten
Experten erwarten eine Welle von Privatpleiten. Foto: Alexander Heinl/dpa
Experten erwarten eine Welle von Privatpleiten. Foto: Alexander Heinl/dpa

HAMBURG. Mehr Privatpleiten, aber weniger Firmeninsolvenzen. Nach Einschätzung des Informationsdienstleisters Crifbürgel wird die Zahl der Verbraucherpleiten in den nächsten Monaten deutlich zunehmen.

Durch die Corona-Krise steige die private Verschuldung, teilte Crifbürgel am Donnerstag in Hamburg mit. Bereits jetzt gelten rund 6,8 Millionen Verbraucher in Deutschland als überschuldet. Die Zahl der Firmenzusammenbrüche könnte nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in diesem Jahr dagegen um etwa acht Prozent sinken, auf etwa 17 250 Fälle. Das wäre ein neuer Tiefststand seit der Jahrtausendwende.

Der Grund: Das Kabinett hatte am Mittwoch beschlossen, die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, bis Jahresende ausgesetzt zu lassen, falls die Überschuldung eines Unternehmens Folge der
Corona-Krise ist. Die Lockerungen waren im März zunächst bis September eingeführt worden, um eine Pleitewelle und den Verlust von Jobs im großen Stil in der Pandemie zu verhindern. Dabei war zunächst auch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags auch wegen Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt worden. Diese zweite Ausnahme fällt nun weg.

IW-Experte Klaus-Heiner Röhl warnte dennoch, dass Unternehmen zu Lasten der Wettbewerber am Leben gehalten würden, obwohl sie Verlust machten und nicht überlebensfähig seien - sogenannte Zombieunternehmen. Nach seiner Schätzung könnten so etwa 4300 Firmen, die keine Perspektive hätten, zunächst weitermachen. Es stehe zudem zu befürchten, dass die Politik im Wahljahr 2021 einen weiteren Aufschub anstreben könnte.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte dagegen den
Kabinettsbeschluss. "Unser Land ist bislang gut durch die Corona-Krise gekommen, weil der Staat Beschäftigten wie Unternehmen das klare Signal gegeben hat, dass wir gemeinsam diesen Weg zu Ende
gehen werden. Dazu gehört auch die Entscheidung, die
Insolvenzantragspflicht weiterhin auszusetzen", sagte Scholz der
»Neuen Osnabrücker Zeitung«. In dieser Phase könne man nicht mit Lehrbuchweisheiten reagieren, sondern müsse pragmatische und lebensnahe Entscheidungen treffen, sagte der SPD-Politiker. Er rechne damit, »dass die ganz überwiegende Zahl der Unternehmen diese schwierige Phase überstehen wird - auch aufgrund unserer Hilfen«.

Für viele überschuldete Verbraucher sorgt nach Einschätzung von Crifbürgel ein Schock auf der Einkommensseite in der Corona-Krise dagegen für ein erhöhtes Risiko einer Privatpleite. Soloselbstständige und Honorarkräfte aus unterschiedlichsten Branchen hätten von einem Tag auf den anderen ihr komplettes Einkommen verloren und seien unerwartet in eine finanzielle Schieflage geraten. 

Crifbürgel geht im laufenden Jahr von bundesweit 85.000 und im nächsten Jahr von 100.000 privaten Insolvenzen aus. Im vergangenen Jahr waren es knapp 87.000. Seit ihrem Höchststand nach der Finanzkrise mit mehr als 139.000 Insolvenzen im Jahr 2010 sind die privaten Pleiten Jahr für Jahr zurückgegangen.

Auch das erste Halbjahr 2020 sah mit knapp 37.000 Privatinsolvenzen und einem Rückgang um 8,4 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres noch gut aus. Doch bis Mitte März waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die meisten Verbraucher noch intakt. »Die Insolvenzstatistiken bilden vor allem die Vergangenheit ab und sind ein Blick in den Rückspiegel«, sagte Crifbürgel-Geschäftsführer Frank Schlein. (dpa)